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43 Gründe, warum es AUS ist

Titel: 43 Gründe, warum es AUS ist
Autoren: Carl Hanser Verlag
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    Der Schlag an der Tür, Ed, dieses Rums, das war der Karton. Du sollst ihn haben. Ich hab ihn bei uns im Keller gefunden und mir genommen, als all unsere Sachen einfach nicht mehr in meine Nachttischschublade passten. Außerdem fürchtete ich, meine Mom könnte irgendwas finden, sie schnüffelt mir nämlich gern hinterher. Also habe ich alles in den Karton gepackt und ihn in meinen Schrank gestellt, obendrauf ein Paar Schuhe, das ich nie anziehe. Jedes einzelne Souvenir unserer Liebe, die Glanzstücke und die Trümmer dieser Beziehung, wie der Glitter in der Gosse, wenn der Festumzug vorüber ist, wenn alles mit Füßen getreten wird und was weiß ich. Weg damit, ich knalle es dir zurück in dein Leben, Ed, alles, was in der Schachtel ist, jedes bisschen, das mit dir und mir zu tun hatte. Ich knall dir den Karton vor die Tür, Ed, aber in Wirklichkeit bist du es, Ed, den ich fallen lasse.
    Ich geb’s zu, wenn es gleich rums macht, werde ich lächeln. Was in letzter Zeit selten vorgekommen ist. In letzter Zeit hatte ich eher Ähnlichkeit mit Aimée Rondelé in Auch der Himmel weint, einem französischen Film, den du nie gesehen hast. Sie spielt darin eine Mörderin und Modedesignerin, und in dem ganzen Film lächelt sie genau zwei Mal. Das eine Mal, als der Gangsterboss, der ihren Vater umgebracht hat, von einem Haus hinuntergestoßen wird, aber die Szene meinte ich gerade nicht, sondern die ganz am Ende, als sie endlich den Umschlag mit den Fotos bekommen hat und ihn ungeöffnet in diesem sagenhaften Aschenbecher verbrennt; sie weiß, dass es vorüber ist, steckt sich eine Zigarette an, steht da in diesem genialen grünen Kleid und sieht zu, wie ein Amselschwarm um den Kirchturm flattert. Ich sehe die Szene noch genau vor mir. Die Welt ist wieder in Ordnung, das sagt dieses Lächeln. Ich habe dich geliebt, aber hier hast du den ganzen Krempel zurück, raus aus meinem Leben damit, so wie mit dir, das sagt dieses Lächeln. Ich weiß, du kannst es nicht sehen, Ed, du nicht, aber wenn ich dir den ganzen Plot erzähle, vielleicht verstehst du’s dann doch, dieses eine Mal, denn selbst jetzt noch wünsche ich mir, dass du es kapierst. Ich liebe dich nicht mehr, natürlich nicht, trotzdem kann ich dir noch etwas zeigen. Du weißt, dass ich Regisseurin werden möchte, aber all die Filme in meinem Kopf konntest du nie wirklich sehen, und das ist der Grund, Ed, warum es aus ist mit uns.

     

 
     
    Auf den Deckel des Kartons habe ich mein Lieblingszitat geschrieben, eins von Hawk Davies, diesem legendären Typen, und gerade schreibe ich dir auf dem Deckel dieses Kartons, damit ich fühle, wie Hawk Davies durch jedes Wort strömt, das ich dir schreibe. Der Lieferwagen von Als Vater holpert so, dass meine Schrift manchmal ganz krakelig ist, Pech für dich, falls du dir die Mühe machst, jedes Wort hiervon zu entziffern. Als ich Al heute Morgen angerufen habe und »Weißt du was?« sagte, kam sofort die Antwort: »Gleich fragst du mich, ob ich dich mit dem Lieferwagen von meinem Vater irgendwo hinfahren kann.«
    »Nicht schlecht geraten«, sagte ich. »Nah dran.«
    »Nur nah dran?«
    »Na gut – du hast es getroffen.«
    »Okay, nur eine Sekunde, bis ich die Schlüssel gefunden habe, dann hol ich dich ab.«
    »Sie dürften in deiner Jacke sein, von gestern Abend.«
    »Auch nicht schlecht geraten.«
    »Willst du gar nicht wissen, worum es geht?«
    »Das kannst du mir sagen, wenn ich bei dir bin.«
    »Ich will es dir aber jetzt sagen.«
    »Ist doch völlig egal, Min.«
    »Nenn mich La Desperada «, sagte ich.
    »Wieso?«
    »Ich will zu Ed, ihm die Sachen zurückgeben«, sagte ich, nachdem ich tief Luft geholt hatte. Im nächsten Moment hörte ich, wie auch er einatmete.
    »Endlich.«
    »Ja. Mein Teil des Abkommens, stimmt’s?«
    »Wenn du so weit bist, ja. Heißt das, du bist so weit?«
    Noch einmal Luft holen, dieses Mal schon etwas zittriger. »Ja.«
    »Bist du traurig deswegen?«
    »Nein.«
    »Min.«
    »Okay, bin ich.«
    »Okay, ich hab die Schlüssel. Fünf Minuten.«
    »Okay.«
    »Okay?«
    »Es ist bloß – ich guck gerade auf das Zitat auf dem Deckel, du weißt schon, Hawk Davies. Du fühlst es oder du fühlst es nicht.«
    »Fünf Minuten, Min.«
    »Al, es tut mir leid, ich hätte nicht –«
    »Min, es ist okay.«
    »Du musst wirklich nicht. Der Karton ist bloß so schwer, ich weiß nicht –«
    »Es ist okay, Min. Und natürlich muss ich.«
    »Wieso?«
    Er seufzte durchs Telefon, und ich starrte weiter auf den
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