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Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken

Titel: Falkenhof 01 - Im Zeichen des Falken
Autoren: Rainer M. Schröder
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Auge in Auge!
     
    Der hohe, weitläufige Dachboden vom Landgut Falkenhof mit seinem Gewirr mächtiger Stützbalken und Querstreben aus eisenharten Eichenbalken lag in Dämmerlicht getaucht. Zu beiden Seiten des mannshohen Mittelganges standen unter den Dachschrägen alte, ausrangierte Schränke, klobige Seekisten und eisenbeschlagene Truhen. Sie enthielten allerlei Trödel vergangener Generationen und bargen wohl auch so manches Geheimnis. Im Zwielicht waren sie nur als Silhouetten zu erkennen, und Tobias Heller wusste mehr, wo welche Truhe und welches wurmstichige Möbelstück stand, als dass er sie tatsächlich sehen konnte. Nur dort, wo die beiden Dachluken aufgeklappt waren, zeichnete sich das kalte, stählerne Blau des Winterhimmels mit fast blendender Helle ab. Der Staub, den Tobias und der Franzose aufgewirbelt hatten, tanzte hier im Sonnenlicht. Es fiel in Form von zwei breiten, scharfkantigen Lichtbalken schräg und genau parallel zueinander durch die rechteckigen Öffnungen im Dach.
    »Allons! Nur zu, mon ami!«, forderte ihn der Franzose auf und sein hageres Gesicht mit dem bleistiftschmalen Schnurrbart, der wie ein schwarzer Kohlestrich rechts und links auf die Oberlippe gemalt schien, verzog sich spöttisch. Gleichzeitig machte er mit seinem Florett eine einladende Geste. Sie hatte fast etwas Geringschätziges an sich, da er den Arm tief sinken ließ und sich dadurch für einen gegnerischen Angriff scheinbar sträflichst entblößte. Nur seine Augen, in denen kein Anzeichen von Spott und Leichtsinn zu finden war, verrieten, dass er sehr wohl wusste, was er tat und welches Risiko er einging.
    »Nun zeig Maurice Fougot schon, wie gut du die Klinge zu führen verstehst, Tobi!«
    Tobias ignorierte seine schmerzenden Muskeln, fasste das Florett fester und ließ ihn nicht aus den Augen. Sein Atem dampfte in der frischen Februarluft, die mit dem Licht des klaren Mittags durch die Dachluken strömte. Doch auf seiner Stirn stand der Schweiß dicht in feinen Perlen und er schmeckte Salz auf den Lippen. Es war ein eigenartiger, ihm jedoch nicht unangenehmer Geschmack, denn es war nicht allein der Geschmack seines eigenen Schweißes und damit seiner körperlichen Anstrengung, sondern was er auf den Lippen schmeckte, war seine ungeheure innere Erregung und Anspannung.
    Er hätte lügen müssen, um zu sagen, dass er diese nicht genoss.
    »Na, worauf wartest du noch …? Keine courage für einen Angriff …? Wie lange willst du mich denn noch warten lassen, mon petit Tobi?« Der Franzose, der mehr als doppelt so alt war wie sein jugendlicher Gegner und diesem zweifellos auch an Kraft und Ausdauer überlegen, ließ seine Klinge spielerisch gegen die von Tobias wippen. Es war ein leichter Schlag, so wie man einem unartigen Kind einen warnenden Klaps versetzt, und damit in dieser Situation genauso von oben herab herausfordernd wie seine Worte. Und kaum hatten sich ihre Klingen flüchtig berührt, da wich er auch schon mit leichtfüßig tänzelnden Schritten zurück, näher an die geöffneten Dachluken heran – und damit in das helle Licht.
    Tobias hasste es, wenn man seinen Namen verstümmelte und ihn wie ein kleines Kind Tobi nannte. Schon vor sechs Jahren, und zwar genau an seinem zehnten Geburtstag, hatte er sich das ausdrücklich verbeten – von jedermann auf Gut Falkenhof. Es war sein einziger Wunsch gewesen, und sogar Agnes Kroll, die grauhaarige und wohlbeleibte Köchin und Haushälterin, hatte sich seitdem daran gehalten, obwohl es ihr anfangs doch sehr schwer gefallen war. Denn sie hatte ihn von Kindesbeinen an bemuttert und ihn so in ihr Herz geschlossen, wie sie es auch bei einem eigenen Kind, das ihr verwehrt geblieben war, nicht intensiver hätte tun können.
    Ja, es machte ihn wütend, so gönnerhaft und gleichzeitig doch auch so herablassend behandelt zu werden. Ganz besonders von Maurice Fougot. Er hatte den Franzosen von Anfang an nicht leiden mögen. Aber er hielt seine Wut im Zaum, denn er wusste, dass ihn der Franzose mit wohl durchdachter Absicht so nannte. Er wollte ihn reizen und ihn zu einer unbedachten Handlung verleiten, um den Vorteil auf seiner Seite zu haben. Doch diesen Gefallen würde er ihm nicht tun. Auf diesen billigen Trick fiel er nicht mehr herein. Früher, ja, da hatte er seinem hitzigen Temperament in solch einem Moment blindlings nachgegeben und dann auch die Quittung dafür erhalten. Er hatte jedoch schnell gelernt sich zu beherrschen und in derart kritischen Situationen
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