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0161 - Zuletzt wimmern sie alle

0161 - Zuletzt wimmern sie alle

Titel: 0161 - Zuletzt wimmern sie alle
Autoren: Zuletzt wimmern sie alle (2 of 2)
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»Sie sind verwundet, Jerry?« fragte Mister High, unser Distriktchef, besorgt. Ich nickte: »Ja, Chef. Aber nichts Ernstliches. Es war nur ein Streifschuß, der ein bißchen viel Haut mitnahm. Nichts Gefährliches. Nur schmerzen gerade solche Wunden besonders scheußlich.«
    »Phil«, sagte der Chef entschlossen, »bringen Sie Jerry sofort zurück ins Distriktgebäude zu unserem Arzt! Setzen Sie sich ans Steuer und gebrauchen Sie die Sirene!«
    »Okay, Chef«, sagte Phil.
    Wir stiegen in meinen Jaguar, nur nahm ich diesmal auf dem Beifahrersitz Platz. Phil fegte los und zeigte, daß er von Autos auch einiges verstand. Trotzdem hielt ich es für ratsam, ihm unterwegs einmal zuzurufen: »He, mein Alter, ich verblute noch nicht. Wenn es dir möglich ist, würde ich gern lebend im Distriktgebäude ankommen!«
    Phil grinste und sagte kaltblütig: »Fahre ich etwa zu schnell?«
    »No«, brummte ich und schloß die Augen. »Es ist geradezu ein Schneckentempo!«
    Phil lachte.
    Ich bekam den Verdacht, daß er die Gelegenheit ausnutzen wollte, um sich bei mir zu revanchieren. Denn sonst saß ich ja am Steuer, und ich erinnerte mich in diesem Augenblick, daß sich Phil schon manchmal den Hut vor die Augen gehalten hatte, wenn ich mal ein bißchen auf Tempo gegangen war.
    Die Schmerzen in meinem Arm wurden erträglicher - oder durch ihr Gleichmaß war ich inzwischen an sie gewöhnt. Jedenfalls steckte ich mir umständlich, weil ich nur die rechte Hand gebrauchen konnte, eine Zigarette an.
    Alles in allem hätte ich sogar mit meinen Schmerzen zufrieden sein können. Das merkte ich, als unser Doc im Distriktgebäude mich erst einmal in Behandlung hatte. Es war alles bis zu dem Augenblick auszuhalten, als der Doc mit seinem verfluchten Jod kam.
    ***
    Da es abends gewesen war, als wir Ollegan aus seinem Versteck holten, fuhren Phil und ich nach Hause, nachdem mich der Arzt verpflastert hatte. Phil fuhr mich der Abwechslung halber nach Hause, und wir spielten noch eine Partie Schach miteinander, wobei wir uns einen kleinen Schlaftrunk genehmigten, nachdem wir vorher bei mir in der Küche ein paar Würste heißgemacht und gegessen hatten.
    Mister High hatte mir im Distriktgebäude gesagt, als ich vom Arzt kam und ihm im Flur begegnete, daß ich selbstverständlich in den nächsten Tagen zu Hause bleiben könnte. Eigentlich hätte ich also am nächsten Tag nicht aufzustehen brauchen, aber ich tat’s trotzdem. Erstens fühlte ich mich mit einem lächerlichen Streifschuß keineswegs todkrank, und zweitens hätte mich ja doch nur die Langeweile geplagt, wenn ich zu Hause geblieben wäre.
    Also fand ich mich zur üblichen Zeit im Office ein. Phil war schon da und grinste, als ich eintrat.
    »Ich hab’s gewußt, daß du kommen würdest«, sagte er. »Deshalb habe ich schon alles zurechtgelegt, damit wir uns gleich zusammen in die Arbeit stürzen können.«
    »Was für eine Arbeit?«
    »Die schönste, die wir beide kennen: Papierkrieg. Die Akten im Fall Sheers-Ollegan müssen abgeschlossen werden. Ich will wohl die nötigen Aktennotizen über die,Einzelheiten schreiben, da du mit dem linken Arm wahrscheinlich doch noch nicht so gut tippen können wirst. Aber du könntest dir inzwischen eine unserer Stenotypistinnen nehmen und in einem Diktatzimmer die Gesamtübersicht diktieren. Einverstanden?«
    Ich nickte: »Gut, ja. Ich bin zwar nicht für solche Dinge, aber da sie gemacht werden müssen, wollen wir es gleich tun, dann haben wir es hinter uns.«
    Ich holte mir also eine unserer Stenotypistinnen und setzte mich mit ihr in eines der kleinen Zimmerchen, die im Distriktgebäude für solche Zwecke zur Verfügung stehen.
    Während die junge Frau ihren Schreibblock zurechtlegte, steckte ich mir eine Zigarette an und dachte noch einmal alles durch. Und dann diktierte ich ihr den Fall Ollegan so, wie wir ihn damals übersehen konnten - und das war keineswegs vollkommen.
    Wie aber war es gewesen? Wie hatte der Fall Ollegan begonnen?
    Durch Ben Warren zweifellos. Dieser Junge war eines Abends bei mir im Office erschienen und hatte mir gesagt, daß er Mitglied einer Bande von Jugendlichen sei. Ich hatte ihn geduldig angehört, denn eine Bande von Jugendlichen muß ja nicht unbedingt eine Bande von Verbrechern sein.
    Ben Warren befand sich in einem seelischen Konflikt, das hatte ich bald heraus. Natürlich widerstrebte es ihm, seine Bande bei der Polizei »zu verpfeifen.« Andererseits aber wollte er sich auch nicht mitschuldig machen an einem
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