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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod
Autoren: Amanda Cross
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und: sie hatte völlig neue Theorien über die mittleren Jahre entwickelt. In ihrem Tagebuch erwähnt sie nur einige wenige. Patrice hat festgestellt, daß, besonders bei Frauen, das Leben in den mittleren Jahren nach völlig neuen Mustern zu verlaufen beginnt. Zu einem Zeitpunkt, wo vermeintlich alles vorüber ist, wagen viele einen Neuanfang, ein Leben, das weder von den sexuellen Leidenschaften der Jugend noch dem häuslichen Joch danach beherrscht ist. Die Gruppe, die Geddes für seine Untersuchung ausgewählt hatte, brachte ihn zu der Annahme, die späten mittleren Jahre seien für Frauen eine äußerst trostlose Zeit. Und da war Patrice – schon berühmt, eine Frau, auf die man hörte – und er fürchtete wohl, ihr Buch könne ein Renner, eine Art Lebenshilfe für die mittleren 137

    Jahre werden, obwohl ich es bezweifle. Patrices Arbeit hatte überhaupt nichts Journalistisches an sich. Ich bin mir nicht sicher, ob er Patrices Arbeit zerstören oder stehlen wollte. Denn gleich, was er erzählt, es muß ja nicht die Wahrheit sein.
    Aber wir wissen jetzt, daß er ihr Manuskript entweder zerstört oder nicht gefunden hat. Aber er stahl ihre Disketten.«
    »Ihre Disketten?«
    »Ja. Patrice arbeitete am Computer. Ihre Tochter hielt es nicht für wichtig, das eigens zu erwähnen – warum auch? Sie und ihr Bruder verkauften den Computer zusammen mit anderen Dingen, da beide ihn nicht haben wollten. Sarah hatte nirgends Disketten entdeckt und sich darüber, gelinde gesagt, gewundert, nahm dann aber an, ihre Mutter habe sie zerstört, ehe sie sich das Leben nahm. Sie haben nicht zufällig eine Flasche Laphroaig irgendwo versteckt?«
    »Eine Flasche was?« sagte die Rektorin und sah ganz ängstlich drein. Kate kam zu dem Schluß, daß sie nun lang genug hier war.
    »Es war mir eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte sie, stand auf und gab der Rektorin die Hand. »Ich bin sehr gespannt, wie sich das Versuchsprogramm für feministische Studiengänge entwickeln wird.«
    »Und in Anbetracht all dessen«, sagte sie zu Lucy und Bertie, als sie auf deren Couch niedersank, »muß ich wirklich sagen, daß ich mich sehr gut benommen habe.«
    »Was Sie brauchen«, sagte Bertie, »ist ein Drink. Und dann müssen Sie uns alles erzählen.« Kate jaulte auf.
    Noch eine Woche später, die Ferien aller waren vorüber, saßen Archer, Herbert, Kate und Reed in dem chinesischen Restaurant, in dem Kate und die Biographen sich zum ersten Mal getroffen hatten.
    »Und jetzt«, sagte Kate zu ihnen, »können Sie genau da weitermachen, wo Sie aufgehört haben. Alle Probleme sind gelöst. Sie brauchen nur noch die Biographie schreiben.«
    »Die um so mehr Aufsehen erregen wird, wenn Patrices Arbeit über die mittleren Jahre erschienen ist«, sagte Reed. »Ich selbst bin schließlich der beste Beweis, wie genial ihre Theorien über diese Zeit sind. Und so exzentrisch ihre Haltung zum Tod auch gewesen sein mag, eines wissen wir jetzt: hätte sie ihn mit siebzig vielleicht freiwillig gewählt, mit achtundfünfzig tat sie es jedenfalls nicht.«
    »Wie auch?« sagte Kate. »Bei ihrem Enthusiasmus für das Buch, an dem sie gerade arbeitete und auf das sie in ihrem Tagebuch mit einem Zitat Virginia Woolfs anspielt. Ich glaube, irgendwie wußte ich von Anfang an, daß es kein Selbstmord war.«
    »Ich kann nicht anders«, sagte Archer, »aber ich mache Sarah doch einen kleinen Vorwurf. Mein Gott, hätte sie doch bloß Mamas Sachen gründlicher durchgesehen, so wie es sich für eine anständige Tochter gehört. Wir hätten viel früher von dem letzten Tagebuchteil erfahren und von den Disketten, auf denen ihr 138

    neues Buch war.«
    »Unfair«, sagte Kate. »Ich glaube, Sarah hätte schon irgendwann alles durchgesehen; sie hatte ja schon damit begonnen. Daß wir alle Patrice lieben, heißt schließlich nicht, daß es einfach war, sie zur Mutter zu haben. Ich glaube, Sarah wollte etwas Zeit verstreichen lassen, was immer weise ist, wenn man durch Hast und blinde Aktivität nur Katastrophen anrichten kann. Außerdem ist sie eine vielbeschäftigte Frau mit Beruf, Mann und Baby.«
    »In mancher Hinsicht«, sagte Herbert, »finde ich die jungen Frauen von heute wirklich erstaunlich. Ich habe nichts weiter als einen Job und eine Biographie und bin dadurch schon völlig überfordert.«
    »Na, sehen Sie«, sagte Kate. »Keine Zeit, Ordner nach Disketten zu durchsuchen. Disketten sind sehr dünn, stecken in diskreten kleinen Hüllen und können
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