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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod
Autoren: Amanda Cross
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die französische Form von Patrick gehabt.
    Erst jetzt kam in Kates fiebrigem Hirn die Erinnerung hoch. Die beiden Männer hatten recht: Sie und Patrice waren sich einst begegnet, vor Jahren, auf einem im Nebel versunkenen Flughafen in Schottland, wo sie, gezwungen, auf besseres Wetter zu warten, sich weder mit kulinarischen Genüssen noch Bequemlichkeiten trösten konnten. (Wie ihren Freunden weithin bekannt, konnte Kate alles ertragen, solange sie mit einem Drink und annehmbarem Komfort versorgt war.) Kate und Patrice, die sich nebeneinander auf jene unerbittlichen, auf Flughäfen so beliebten Hocker sinken ließen, hatten beide geseufzt. Dann hatte Kate aus ihrem Handgepäck eine Flasche Laphroaig hervorgezaubert (das war lange, bevor dieses köstliche Malzgetränk in den Vereinigten Staaten modern wurde) und Patrice, deren Name sie noch nicht wußte, einen Schluck angeboten. Beide waren dann von Malz zu Gott und der Frage seiner Beweisbarkeit übergegangen. Patrice hatte mit dem Thema begonnen. Daß Kate je das Thema Gott anschneiden würde, war höchst unwahrscheinlich, am wenigsten auf einem nebligen Flughafen. Auf Fragen nach Gott pflegte Kate stets mit einem Satz zu antworten, den sie in ihren frühen 6

    Zwanzigern formuliert und nie Grund gesehen hatte zu ändern: Der Glaube an Gott sei wohl ein Trost für jene, die die Ungerechtigkeit des Lebens nicht ohne eine solche Hoffnung ertragen konnten. Und dann, erinnerte Kate sich (man kann wohl davon ausgehen, daß sie inzwischen mehr als den einen Schluck Laphroaig konsumiert hatte), hatte sie Mrs. Ramsay aus Virginia Woolf s ›Die Fahrt zum Leuchtturm‹ zitiert:
    »Was hatte sie dahin gebracht, das zu sagen: ›Wir sind in Gottes Hand?‹… Wie konnte irgendein Gott diese Welt geschaffen haben? fragte sie sich. Im Geist hatte sie stets daran festgehalten, daß es keine Vernunft, keine Ordnung, keine Gerechtigkeit gab; sondern Leiden, den Tod, die Armen. Es gab keine Niedertracht, die zu niedrig war, als daß die Welt sie nicht beging; das wußte sie.
    Kein Glücklichsein war von Dauer; auch das wußte sie.«
    »Zitieren Sie immer Virginia Woolf?« hatte Patrice gefragt.
    »Zitieren und rauchen«, hatte Kate geantwortet, »sind meine zwei Hauptlaster.
    Aber schließlich«, hatte sie hinzugefügt, was sie sonst nie bei zufälligen Reisebekanntschaften tat, »bin ich Professorin für englische Literatur: es ist also eine Art Berufskrankheit.«
    »Ach«, hatte Patrice gesagt, »ich bin auch Professorin, allerdings nicht für Literatur, und ich zitiere nicht, zumindest nicht im Gespräch. Aber Sie haben recht: Es gibt keinen Gott.«
    Als Kate, nachdem ihre Grippe abgeflaut war, die beiden Männer traf, die Patrice Umphelbys Biographie schrieben, stellte sich heraus, daß sie Archer und Herbert hießen und zu diesem Interview, wie zuvor gewiß schon zu vielen anderen, eine Mischung aus Charme und Ernsthaftigkeit mitbrachten, die unwiderstehlich war, zumindest für Kate. Die vereinte Wirkung von Archers unaufdringlicher Schmeichelei und Herberts kindlichem Ernst gab Kate das Gefühl, für die beiden eine wahre Schatzgrube zu sein. Kate, die seit langem der Meinung war, daß dem ersten Eindruck nicht zu trauen sei, genoß ihre neugewonnenen Freunde und die köstliche Freude, sich über ihre eigene Meinung hinwegzusetzen.
    Das Restaurant trug zu dem Gefühl erfreulicher Entdeckungen bei. Kate, die sich schon oft vorgeworfen hatte, ihr soziales Leben und den Teil ihres Berufslebens, der nicht in Hörsälen oder Sitzungszimmern stattfand, an Tischen in Restaurants zu verbringen, hatte sich zur Connoisseurin entwickelt; dabei ging es ihr weniger ums Essen als um das Ambiente: genügend Platz zwischen den Tischen, aufmerksame Kellner, prompte Bedienung, hinter der nicht der Wunsch stand, den Tisch schnell für andere Gäste freizubekommen – und Toiletten, die wenigstens dem Standard einer Jugendherberge entsprachen. Solange ihr keine tiefgefrorenen Krabben offeriert wurden oder alles mit Soße übergossen war, stellte Kate ansonsten keine großen Ansprüche. Schließlich aß sie außer Haus, um sich zu unterhalten. Wäre Reed nicht so liebenswürdig, er hätte gesagt, sie lebe, um zu reden.

    7

    Das Restaurant, das chinesisch war, versprach, ebenso wie Kates Begleiter, ihren Standards zu entsprechen.
    »Machte sich Patrice etwas aus Luxus, und sei es der bescheidene, den asiatische Restaurants zu bieten haben?« fragte Kate Archer und Herbert. »Auf mich wirkte sie
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