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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod
Autoren: Amanda Cross
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Augenblick ein wenig stockt, liegt an ihrem Tagebuch. Wir wissen nicht recht, was wir daraus machen sollen. Vielleicht würden Sie es sich einmal ansehen«, sagte er zu Kate. »Und Sie natürlich auch«, fügte er an Reed gewandt hinzu.
    »Was schreibt sie denn in ihrem Tagebuch?« fragte Reed. »Wenn ich tot in einem See aufgefunden werde, dann sollen alle wissen, daß daran etwas faul ist?«
    »Nichts dergleichen«, sagte Herbert. »Wissen Sie…« Herbert zögerte eine Minute, so als suche er nach den passenden Worten für seine Gedanken.
    »Sag es doch so, wie Patrice in ihrem Tagebuch«, ermunterte ihn Archer. »Sie war verliebt in den Tod.«
    Wenige Tage später, als Kate und Reed wieder bei einem Glas Laphroaig saßen, für den sie eine plötzliche Vorliebe entwickelt zu haben schienen (»Er tut einem bestimmt besser als Martinis«, versicherten sie einander), kamen sie auf Patrice zurück. Kate hatte sich die von Archer und Herbert zusammengestellten biographischen Fakten inzwischen gründlich angesehen. Das meiste war ihr natürlich nicht neu. Patrice hatte zwei Kinder, beide lebten noch, mit denen sie eine große Zuneigung verband. Sie war Geschichtsprofessorin gewesen, mit dem Spezialgebiet Europa in den letzten hundert Jahren, insbesondere der Zeit zwischen den beiden sogenannten Weltkriegen. In der letzten Dekade vor ihrem Tod hatte sie nicht nur erfolgreiche Geschichten und Romane geschrieben, sondern auch im ganzen Land Vorträge gehalten und als Gastdozentin Seminare an anderen Universitäten gehalten. Sie war recht bekannt geworden, ohne je den Berühmtheitsgrad erreicht zu haben, der in unserer Public-Relations-Welt als Maßstab für Erfolg gilt. Als sie starb, war sie achtundfünfzig.
    Kate legte eine Pause ein, um etwas Arithmetik zu betreiben. »Sie war neunundvierzig, als ihr Mann umkam. Damals hatte sie bereits angefangen, Romane zu schreiben. Archer hat versprochen, mir das Tagebuch zu schicken, und das wird uns bestimmt mehr verraten als diese Fakten. Sie fängt an, mich zu faszinieren, diese Patrice Umphelby. Und, wie immer, wenn man anfängt, sich mit einer Sache oder Person zu beschäftigen, stößt man plötzlich überall auf Hinweise und Verbindungen. Jetzt wundere ich mich, warum ich nicht schon an jeder Ecke über Patrice Umphelby gestolpert bin, als sie noch lebte. Aber wir sind uns nur jenes eine Mal auf dem Flughafen begegnet. Wirklich eigenartig, daß sie ausgerechnet über Gott sprach, und daß Herbert nun unbedingt eine Art Heilige in ihr sehen will, jedenfalls eine Frau von höchst außergewöhnlichem Geist.«
    »Dein Interesse hat sogar auf mich abgefärbt«, sagte Reed. »Denn ich habe oben in Massachusetts darum gebeten, mir alle Unterlagen über Patrices Tod zuzuschicken, die sie haben. Wie du weißt, steht in den Polizeiakten oft viel mehr, als die trauernden Hinterbliebenen je erfahren.«

    16

    »Ich hatte gleich das Gefühl, daß du deine Zweifel hast«, sagte Kate. »Du glaubst nicht, daß sie in den See gegangen ist?«
    »Ich weiß nicht recht. Egal, wie sehr sie in den Tod verliebt war – ihr Selbstmord scheint mir einfach nicht in das Bild zu passen, das Herbert und Archer von ihr zeichneten. Aber die Fakten aus Massachusetts sagen nichts anderes, als damals in der Presse stand. Sie steckte sich Steine in die Taschen und ging oder schwamm bis zur Mitte des Sees. Es kann natürlich sein, daß sie das alles nur tat, weil sie wußte, daß du dich eines Tages für sie interessieren würdest, und Leute, die dein Interesse wecken, benehmen sich immer sonderbar. Zugegeben – eine vielleicht etwas abwegige Erklärung, aber eine plausiblere finde ich nicht. Sie wurde weder geschlagen noch unter Drogen gesetzt, und zuviel getrunken hatte sie auch nicht: nur eine kleine Menge Whisky. Sie ertrank mitten in der Nacht. In ihrem Wohnzimmer lag eine Notiz, ein Abschiedsbrief an ihre Kinder. Diese hätten immer ihre Meinung über den Tod von Charlotte Perkins Gilman geteilt, schreibt sie darin, und sie wisse, sie würden sie verstehen. Dann zitiert sie Charlotte Perkins Gilman. Herauszufinden, wer diese Charlotte Perkins Gilman war, gab der Polizei damals das größte Rätsel auf. Sie brauchte länger dazu als für den Rest des Falls. Eine Spur führte sie schließlich zu einem Professor in Kalifornien namens Carl Degler, der Charlotte Perkins Gilman gekannt hatte und ihnen erzählte, daß diese sich mit Chloroform umgebracht hatte. Patrices Kinder waren traurig, aber nicht
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