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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod
Autoren: Amanda Cross
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Patrice nur an sich haben, daß sie mich dazu bringt, all diese Dinge mit zwei Leuten zu diskutieren, die ich nie zuvor gesehen habe?«
    »Ganz davon zu schweigen, daß du deine Frau damit behelligst«, lachte Kate.
    »Nicht, daß ich mir das nicht schon gedacht hätte. Schließlich bist du ständig unterwegs und berätst Entwicklungsländer am Ende der Welt.«
    »Ich verstehe vollkommen, warum Patrice Sie inspiriert, darüber zu sprechen«, sagte Herbert. »Diese Frau hatte eine Theorie über die mittleren Jahre. Sie hielt sie für eine Zeit, die sich völlig von den früheren Jahren unterscheidet, eine Zeit, in der man nicht mehr von den Gespenstern der Vergangenheit heimgesucht wird.
    Man kann diese Geister zwar immer noch herbeirufen – und die meisten Leute tun das ihrer Meinung nach zu oft –, aber sie verfolgen einen nicht mehr. Sie sprechen das aus, was Patrice gemeint hat: Das Leben könne noch einmal von vorn beginnen, wenn man es nur zuläßt.«
    »Und bereit ist zuzugeben, daß man in den mittleren Jahren und stolz darauf ist«, sagte Reed.
    »Das sagst du bloß, weil du ein bißchen jünger bist als ich«, fiel Kate ein, »was ich dir nie verzeihen werde, auch wenn ich weiß, wie idiotisch das ist.«
    »Unsinn«, sagte Reed und berührte ihre Hand. »Aber die Theorien eurer Patrice 14

    über die mittleren Jahre faszinieren mich. Ist das der Grund, weshalb sie eine Biographie wert ist? Welches Fach lehrte sie überhaupt?«
    »Eigentlich Geschichte«, sagte Herbert. »Berühmt wurde sie jedoch – ich fürchte, ich kann es nicht anders ausdrücken – als Persönlichkeit und natürlich als Schriftstellerin.«
    »Ich habe nie von ihr gehört«, sagte Reed, »wahrscheinlich weil Kate nicht über ihre Bücher gesprochen hat. Was hat sie geschrieben?«
    »Zuerst mehrere wichtige historische Werke, darunter eines, das zu seiner Zeit für einigen Aufruhr sorgte. Es hieß ›Die Jahre dazwischen‹ und war ein Bericht über die Jahre zwischen den Weltkriegen. Außerdem schrieb sie das wohl beste Buch über die Literatur des Ersten Weltkriegs. Darin zeichnete sich bereits ab, daß sich bei ihr Geschichte und Literatur, also Kates Gebiet, zu überschneiden begannen. Wirklich bekannt wurde sie jedoch durch ihre Romane. Ungefähr zehn Jahre vor ihrem Tod begann sie Geschichten und Novellen zu schreiben, von denen fast alle im ›New Yorker‹ vorab veröffentlicht wurden. Sie hatte eine beachtliche Schar von Anhängern und wurde beinahe so etwas wie eine Kultfigur.«
    »Aber wie Sie sicher wissen«, fiel Archer ein, »spricht man immer gleich von Kult, wenn es sich bei dem bewunderten Schriftsteller um eine Frau handelt. Wenn man Virginia Woolf oder Stevie Smith oder Sylvia Plath bewundert, ist man Teil eines Kults. Wenn man endlos über James Joyce schreibt, beweist man lediglich seinen guten Geschäftssinn.«
    »Mein Favorit unter ihren Büchern heißt ›Die Jahre der roten Katze‹«, sagte Herbert. »Es ist halb Fantasie, halb scharfsinnige Sozialkritik und handelt von einer alten Jungfer, die zur Hexe wird.«
    »Ah«, sagte Reed. »Und Patrices Rat an mich hieße wohl: gehe hin und tue es ihr gleich. Ich nehme an, eine alte Jungfer zu sein, ist keine unabdingbare Voraussetzung.«
    »Das Wunderbare an ihren Büchern ist, daß sie niemals predigt. Sie spricht sowohl Intellektuelle an wie auch Leute, die in Kleinstädten und Vororten einsam vor sich hinträumen. Die Aussichten, daß sich unsere Biographie verkaufen wird, sind sehr gut, und nach ihrem Erscheinen werden Patrices Bücher wahrscheinlich noch besser gehen.« Archer zögerte einen Moment. »Hier liegen also keinerlei Schwierigkeiten«, sagte er. »Und wenn ich gut genug auf Herbert aufpasse und ihn davon abbringen kann, in Patrice eine Heilige zu sehen, haben wir noch ein Problem weniger. Das eigentliche Problem ist ihr Tod.«
    »Die Tatsache, daß sie sich umgebracht hat?« fragte Kate.
    »Zum Teil. Sie ging auf dem Campus des Colleges, an dem sie lehrte, in den See – dem Clare College. Es war Juni, die Zeit der Abschlußexamen und -
    feierlichkeiten. Überall wimmelte es von Frauen, die zu Klassentreffen gekommen waren. Die Sache sorgte für ziemlichen Aufruhr.«
    »Dann gibt es wohl keinen Zweifel«, sagte Kate, »daß sie freiwillig in den See 15

    ging – daß sie tatsächlich hineinging ?«
    »Nein, nicht den geringsten. Aber nicht nur ihr Selbstmord ist für uns problematisch. Daß unsere Arbeit, wie Sie bestimmt schon gemerkt haben, im
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