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Ansichten eines Klaus - Roman

Ansichten eines Klaus - Roman

Titel: Ansichten eines Klaus - Roman
Autoren: Michael-André Werner
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HEUTE
    »Alexander und Ilka haben sich getrennt«, sagt Petra ein wenig atemlos, kaum dass sie sich gesetzt hat. Sie versucht, ihre Umhängetasche so über die Rückenlehne des Stuhls zu hängen, dass sie gut herankommt, diese aber nicht runterfällt, zieht ihre Jacke umständlich im Sitzen aus und hängt sie über die Tasche.
    »Ach«, sage ich. »Schon wieder.« Die Hallo-komm-rein-was-gibt’s-denn-so-Wichtiges-Phase haben wir übersprungen. Kaum hatte ich die Wohnungstür geöffnet, kam Petra hereingestürzt, gab mir einen Kuss auf die Wange, rauschte dann in die Küche und setzte sich auf den Stuhl am Fenster.
    Jetzt rutscht die Tasche von der Lehne, knallt auf den Boden und nimmt die Jacke mit.
    »Hast du da Steine drin?«, frage ich und setze mich auf den anderen Stuhl mit Blick zum Fenster.
    »Bücher. – Und was meinst du mit ›schon wieder‹?«, sagt Petra. Sie hebt die Tasche auf und hängt sie wieder hinter sich, diesmal über die Jacke.
    »Na, schon wieder eben«, sage ich.
    Alexander und Ilka haben sich schon öfter getrennt. Dreimal, um genau zu sein, viermal eigentlich. Noch genauer geht es eigentlich nicht. Alexanderund Ilka haben mittlerweile eine Beziehung der Heisenberg’schen Art, irgendwie unscharf. Oder wie Schrödingers Katze. Vielleicht habe ich auch einfach nur den Überblick verloren. Sie waren manchmal sogar gleichzeitig zusammen und auch wieder nicht oder nichts von beidem und beides. Ich bin also nicht sonderlich überrascht.
    »Jaja«, sagt Petra, »aber diesmal ist es endgültig. Denn eigentlich hat sich Ilka von Alexander getrennt. Aber irgendwie in gegenseitigem Einverständnis.«
    Dann ist es wirklich ernst, denke ich und irgendwo in meinem Hinterkopf kichert es. Klappe auf, Katze tot.
    »Sagt wer?«, frage ich aus Versehen, denn es interessiert mich nicht sonderlich.
    »Sagt Ilka«, sagt Petra und bibbert. »Kalt ist es bei dir.« Sie reibt sich mit der linken Hand den rechten Oberarm hoch und runter. Nicht dass es was nützen würde, es soll nur eine kleine Geste des Vorwurfs sein. Wir sitzen in meiner Küche. In meiner Küche ist es immer kalt. Weil die doppelten Altbaufenster nicht mehr dicht halten. Und weil draußen Herbst ist und Abend und ich nicht heize. Oder koche oder backe. Bin ja eh kaum hier. Bin ja meistens unten. Wie jetzt eigentlich auch. Hätte Petra nicht angerufen.
    »Willst du hier sitzen?«, frage ich. »Da am Fenster zieht’s natürlich.«
    »Nee, lass mal«, sagt sie. »Hast du Milch?«
    Sie steht auf, ohne meine Antwort abzuwarten, geht zum Kühlschrank, holt eine Packung Milch raus, dreht den Plastikverschluss auf, riecht dran, nimmt sich dann eine Kasserole, gießt die Milch rein und macht eine der vorderen Gasflammen am Herd an.
    »Hast du Honig?«
    »Bist du erkältet?«
    »Nee.«
    »Nee.«
    Ich schaue unterdessen einfach mal aus dem Fenster. Irgendwo in der Ferne wandert langsam ein blinkender Punkt über das Schwarz da draußen. Petra kuckt mich an, dann folgt sie meinem Blick zum Fenster.
    »Hast ja immer noch die karierten Gardinen dran.« »Ja.« – Ja, hab ich. Ja, ich habe es seit unserer Trennung nicht für nötig befunden, neue Gardinen aufzuhängen. Nee, die hängen da ja noch länger, noch vor Petra. Soll ich sagen: Ja, aber morgen kommen neue dran? Welche mit Punkten oder Oliven oder ... Ich bin ja eh kaum hier. Und wenn, sitze ich mit dem Rücken zum Fenster, da sehe ich die Gardinen nicht.
    »Und?«, bringe ich das Gespräch wieder in Gang.
    »Und was?«
    »Und deshalb kommst du zu mir?«, frage ich Petra.»Nur, um mir zu sagen, dass sich Alexander und Ilka mal wieder getrennt haben?«
    »Mal wieder ...«
    »Ja, mal wieder. Pass auf, dass die Milch nicht überkocht.«
    »Jaja. Wem soll ich’s denn sonst erzählen?«
    »Deiner Schwester. Deiner anderen Schwester. Ilkas Schwester. Ulli, Jenni, Birte ...«
    »Sie heißt Birke.«
    »... ja gut, Birke, Rosi, Emma, deinem Mann, deiner Mutter, Jochen und Jimmi, Rolf und Corinna ...«
    »Jaja, schon gut, ich hab’s verstanden.«
    »Clara ...« Obwohl ich gar nicht weiß, ob Ilka eine Clara kennt, aber kennt man nicht immer eine Clara?
    »Na, Clara weiß es ja schon. Die ist ja irgendwie der Grund dafür. Und jetzt ist sie – sssssipppp – ab nach Irland.« Petra macht aus ihrer Hand ein Flugzeug, das mit Daumen- und Kleinerfinger-Flügeln Richtung Fenster fliegt, dem blinkenden Punkt hinterher.
    »Pass auf die Milch auf, dass sie nicht überkocht«, sage ich.
    »Jaja.« Sie nimmt einen
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