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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod
Autoren: Amanda Cross
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entsprechend brutalen Schubs gibt
    – man kann nur zu dem werden, was schon immer in einem angelegt war.«
    »Muß der Schubs immer brutal sein?« fragte Archer.
    »Irgend etwas in meiner Frohnatur rebelliert gegen eine so finstere Sicht des Schicksals.«
    »Finster oder nicht«, sagte Herbert. »Woran Archer sich stört, ist meine Überzeugung, daß der Begriff ›Heilige‹ wenn überhaupt auf jemand zutrifft, dann auf Patrice.«
    »Oje«, seufzte Kate. »Ich bin auf Archers Seite. Ich hasse Heilige.«
    »Was bestimmt daran liegt«, sagte Herbert, »daß Sie sich unter Heiligen Gestalten wie Mutter Teresa vorstellen, die mit den Waisen und Armen in Indien und dem Nobelpreis.«
    »Genau. Sie sprach auf einer der Harvard-Abschlußfeiern und erklärte Abtreibung zur größten aller Sünden. Im gleichen Atemzug forderte sie die jungen Leute beiderlei Geschlechts auf, keusch in die Ehe zu gehen. Nun, wahrscheinlich braucht man wirklich die Überzeugung einer Heiligen, um Studenten heutzutage zur Keuschheit überreden zu wollen, noch dazu in Harvard.«
    »Ich weigere mich einfach«, stöhnte Archer auf, »mir zusammen mit diesem herrlichen Laphroaig noch Abhandlungen über Heilige zu Gemüte zu führen. Ich weiß, meine liebe Kate, daß dieses Getränk Sie und Patrice einst zum Gespräch über Gott verleitet hat, aber mehr religiöse Wirkung sollten wir von diesem unschuldigen Getränk wirklich nicht verlangen. Unser armer Herbert will unbedingt eine neue Definition finden – eine, die Widersprüchlichkeit, Großzügigkeit und die Bereitschaft, Risiken auf sich zu nehmen und Idealen zu dienen, in sich vereint. Ich sehe darin nichts Heiliges, wie ich dem Guten schon mehrfach gesagt habe, sondern einfach Reife – in den fortgeschrittenen mittleren Jahren. Und das, zusammen mit der plötzlichen und nicht ersehnten Einsamkeit, war es, was unsere Patrice ausmachte. Heilige sind per Definition ein Schwindel: einmal zu Heiligen erkoren, hören sie meiner Meinung nach auf, welche zu sein.
    Das Wesen unserer wirklichen Heiligen liegt für mich darin, daß ihre Heiligkeit unerkannt bleibt. Und das«, schloß er, »ist die längste Rede, die ich je in meinem Leben über ein religiöses Thema gehalten habe, die längste und die letzte, das verspreche ich Ihnen.«
    Reed füllte Archers Glas nach. »Keine Frage«, sagte er, »Heilige langweilen uns. Aber die mittleren Jahre – nun, die sind ein spannendes, unerschöpfliches Thema.«
    Kate starrte ihn an.
    »Ja, meine Liebe, du hast recht, ich denke vor allem an mich selbst. Ich stecke ja mittendrin im finstersten Mittelalter. Auch ich frage mich, wohin jetzt? Ich erwähne es ja nicht zum ersten Mal: die Rolle des Bezirksstaatsanwalts hängt mir allmählich zum Hals raus. Und was nun, frage ich mich. Welche Abenteuer, 13

    welche Möglichkeiten gibt es noch?«
    »Würde ich dich nicht so gut kennen«, bemerkte Kate, »wäre ich versucht zu glauben, daß du zuviel getrunken hast.«
    Reed lächelte sie an und wandte sich an Archer und Herbert. »Ich weiß nicht, welche Vorstellungen Sie vom Alltag eines Bezirksstaatsanwalts haben. Die meisten Leute wissen nicht viel darüber, warum sollten sie auch? Fast alle guten Strafverteidiger dort, zu deren erlauchtem Kreis ich mich selbst zähle, nehmen mit Ende Dreißig ihren Abschied. Das liegt nicht nur daran, daß die Arbeit sehr anstrengend ist und jugendliche Energie und Durchsetzungsfähigkeit erfordert –
    die braucht man auch im Zivilrecht. Es ist einfach so, daß man nach den ersten tausend Vergewaltigungen und Morden weiß, wie das System funktioniert. Ich bin geblieben und gelte inzwischen als der alte Hase, den man holt, wenn’s schwierig wird. Schon gut, schon gut«, sagte er als Reaktion auf eine Grimasse von Kate.
    »Ich will mich nicht als zu bedauernswertes Wesen hinstellen. Ich bin ein hochqualifizierter Prozeßführer und werde es auch hoffentlich immer bleiben. Aber mehr als der einzelne Fall interessiert mich inzwischen, wie das System funktioniert – individuelles Recht versus die Bestrafung von Schuldigen. Und dann die Frage, welche Rolle die Polizeigewalt in einer Demokratie oder in Ländern, die hoffen, Demokratien zu werden, spielen kann – ein sehr schwieriges Problem: man neigt leicht dazu, in das eine oder andere Extrem zu verfallen.«
    »Haben Sie im Büro des Bezirksstaatsanwalts mit großen Fällen zu tun?« fragte Archer. »Wie dem Fall Abbott oder so?«
    »Genau so«, sagte Reed. »Was mag Ihre magische
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