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Sueßer Tod

Sueßer Tod

Titel: Sueßer Tod
Autoren: Amanda Cross
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exzentrisch, soweit man eine ältere Frau, der Bequemlichkeit eindeutig wichtiger ist als Eleganz oder das vergebliche Mühen um Jugendlichkeit, exzentrisch nennen kann. Hat sie nicht lieber Joghurt aus einem Plastikbecher gelöffelt und danach eine große Wanderung unternommen?«
    »O ja, meine Liebe«, sagte Archer. »Gemessen an all den weiblichen Normen war sie wahnsinnig exzentrisch und höchst angenehm, was eine sehr seltene Kombination ist. Ich meine, wenn Frauen sich weder um Mode noch Eleganz scheren, heißt das ehrlich gesagt, meist flache Schuhe und schmutzige Fingernägel
    – und wenn man sich mit ihnen unterhält, hat man so oft das Gefühl, für die Sache, die sie zufällig gerade so verbissen verfechten, auf den Barrikaden sterben zu müssen, und nach Barrikadenkämpfen steht einem nun einmal selten der Sinn; viel öfter will man genüßlich speisen, so wie jetzt.«
    Herbert, der Ernsthafte, sah verwirrt aus. Kate vermutete, daß seine Rolle in der Partnerschaft darin bestand, daß er die Kleinarbeit machte, am Schreibtisch klebte, die Fußnoten zuordnete und die Quellen aufspürte. Fraglos war er für Archer so wichtig wie Archer für ihn. Archer war derjenige, der die Freunde und Verwandten von Patrice bezirzte, ihnen Erinnerungen und Geschichten entlockte und sie vor allem überhaupt dazu brachte, sich mit ihm zu treffen. Kein Zweifel, für sich allein hätte Archer seine Tage mit sprühender Geselligkeit zugebracht, und Herbert in Langeweile – beides gleichermaßen unproduktiv.
    Herbert war verstört, daß Archer Patrice vom Klischee der Weiblichkeit rettete, indem er andere Frauen dazu verdammte. Außerdem schien ihm nicht zu gefallen, wie Archer Kate so hemmungslos schmeichelte, daß es für eine Frau mit ihrer Intelligenz geradezu beleidigend sein mußte. Kate hielt das Herbert zugute, spürte aber gleichzeitig, daß er kein Sensorium für die Herzlichkeit und Offenheit hatte, die hinter Archers Theater lag. Kate konnte sich nicht vorstellen, daß Archer je unfreundlich war; er reagierte auf feinste Signale, die Herbert und die meisten anderen Menschen gar nicht wahrnahmen. Deshalb wurde Archer von allen geliebt.
    Und da er das Leben so sehr liebte, brauchte er Herbert, denn ohne Herbert könnte Archer nicht lange genug sein eigenes Leben zurückstellen, um den Lauf eines anderen Lebens zu dokumentieren. Gemeinsam jedoch würde den beiden die Tat einer Biographie gelingen. Ehe das Essen beendet war, hatte Kate sich in beide verliebt. Und das kennzeichnete das Ungewöhnliche an ihr, was Archer sogleich erkannt hatte. Die meisten Menschen verliebten sich nur in Archer.
    So wie es offenbar auch Patrice getan hatte.
    »Wie«, stellte Kate schließlich die unvermeidliche Frage, »kommen Sie beide dazu, Patrices Biographie zu schreiben? Warum zwei Männer, und warum 8

    überhaupt eine Biographie? Im Grunde weiß ich nur von Patrice, daß sie Professorin war, weithin bekannt und allseits geliebt, und daß sie nicht an Gott glaubte.«
    »Meine Liebe, Sie wären überrascht, wenn Sie wüßten, wie viele Leute Patrices Biographie schreiben wollten. Ihre Kinder, die ihre Erben sind, glaubten dem Wunsch ihrer Mutter zu entsprechen, wenn sie jedermann, der darum bat, Einsicht in ihre Papiere gewährten. Meine Liebe, die Massen, der Lärm, die Menschen, wie Ernest Thesinger über den Ersten Weltkrieg bemerkte. Und bald erschienen Artikel, die die Tatsachen ziemlich verzerrten – ich weiß, ich weiß«, sagte Archer und hob beschwichtigend die Hand, »was sind Tatsachen? Aber Ungereimtheiten bleiben Ungereimtheiten, und wenn man jemanden einerseits eines Verbrechens beschuldigt, von dem er nicht einmal geträumt, geschweige denn es begangen hat, und ihn andererseits als die Verkörperung Gottes auf Erden preist, dann – wo war ich? – also kurz, irgendwann beschlossen die Erben, einen Biographen zu bestimmen und dann, wenn die Fakten, oder was ich die Fakten nenne, erst einmal auf die Reihe gebracht sind, die Leute schreiben zu lassen, was sie wollen. Oje –
    ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich hoffen konnte, je aus diesem Satz wieder herauszukommen und wie Sie mir angesichts solch katastrophaler Syntax überhaupt zutrauen sollen, etwas auf die Reihe zu bringen. Natürlich«, fügte er hinzu und kam mit einem gekonnten Schlenker zum Schluß, »wollten die Erben einen Biographen, und wir sind zwei, aber Sie werden verstanden haben, worauf ich hinaus will.«
    »Das habe ich«, sagte Kate, »und
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