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Unter goldenen Schwingen

Unter goldenen Schwingen

Titel: Unter goldenen Schwingen
Autoren: Natalie Luca
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PROLOG

    Man sagt, dass im Augenblick des Todes das eigene Leben an einem vorbeizieht – was in diesem Augenblick an mir vorbeizog, erklärte auf jeden Fall, warum ich an einer Friedhofsmauer sterben würde.
    Als ich merkte, dass die Reifen auf dem Asphalt nicht mehr griffen, wusste ich noch nicht, dass ich Sekunden später tot sein sollte. Ich hatte die Kontrolle über den Wagen verloren – das kommt vor, wenn man auf einer regennassen Straße wie eine Idiotin das Gaspedal durchtritt – und das Auto schlitterte über die Fahrbahn. Meine Hände krampften sich wie Eisenklammern um das Lenkrad, während ich versuchte, mich an irgendetwas aus dem Führerscheinkurs zu erinnern, das mich davor bewahren würde, mich bei meiner ersten Autofahrt umzubringen. Während das Auto rutschte und das Heck ausscherte, zerrte ich das Lenkrad in die Gegenrichtung und trat panisch aufs Bremspedal. Doch die Reifen griffen nicht und der Wagen schlitterte ungebremst auf die Böschung zu.
    Ich versuchte verzweifelt, das Auto auf der Straße zu halten, und trat das Bremspedal durch. Hinter der Böschung ragte die Friedhofsmauer bedrohlich auf, als würde sie nur darauf warten, dass mein Wagen daran zerschmetterte. Und plötzlich begriff ich, dass diese Mauer das Letzte war, was ich jemals sehen würde.
    Obwohl es sinnlos war, stemmte ich meine Arme mit aller Kraft gegen das Lenkrad, so als könnte ich die heranrasende Gefahr von mir fortdrücken. In diesem Moment schleuderte mein Auto von der Straße und schoss über die Böschung.
    Ich schloss die Augen. Der Tod also … er konnte nicht so schlimm sein. Nicht schlimmer als die Hölle in meinem Innern.
    Ich erwartete den Aufprall – doch was ich stattdessen wahrnahm, war ein goldener Funke. Das sanfte Schimmern war so wunderschön, dass es meine Aufmerksamkeit im letzten Augenblick meines Lebens vollkommen fesselte. Ein Gedanke kam mir in den Sinn, es war eigentlich nur ein Gefühl, ein gutes Gefühl, das erste gute Gefühl seit Monaten – doch es dauerte nur den Bruchteil eines Augenblicks. Dann zerschellte mein Wagen an der schwarzen Mauer.
    Ich dachte, das wäre das Ende.
     
    Es war der Anfang.

DER TAG, AN DEM ICH STERBEN SOLLTE

    13 Stunden, 27 Minuten früher.
     
    In dieser Nacht kehrten die Albträume zurück. Ich wachte wieder schreiend auf, keuchend und schweißgebadet. Panisch schlug ich auf den Lichtschalter und sah mich im Zimmer um.
    Ich war allein. Ich erschrak, als ich die Schritte auf dem Flur hörte, doch es war nur mein Vater, der im nächsten Moment seinen Kopf zur Tür hereinstreckte. Ich war es nicht gewohnt, dass er zu Hause schlief.
    »Alles in Ordnung?« Er blinzelte müde gegen das schwache Licht meiner Nachttischlampe.
    »Albtraum«, stieß ich hervor und ließ mich zurück in die Kissen sinken.
    »Schon wieder? Willst du nicht endlich zum Arzt gehen?«
    »Es geht schon«, murmelte ich.
    »Ich habe einen 16-Stunden-Tag vor mir, Vicky, ich brauche meinen Schlaf ...«
    »Tut mir leid«, sagte ich leise.
    Er schüttelte den Kopf und schloss die Zimmertür. Ich schaltete das Licht aus und starrte in der Dunkelheit an die Zimmerdecke.
    Dieser Albtraum war bisher der Schlimmste gewesen. Ich wischte mir den kalten Schweiß von der Stirn.
    In dieser Nacht schlief ich nicht wieder ein.
     
    Da es mein Geburtstag war, konnte der Tag wohl nicht noch schlimmer werden; davon war ich fest überzeugt, als ich mich ein paar Stunden später mit dunklen Ringen unter den Augen durch den Schultag quälte.
    Ich ahnte noch nicht, wie sehr ich mich irren sollte.
    »… und weil Chrissy nicht weiß, dass Mark auf sie steht, und er das allein nie auf die Reihe kriegen wird, müssen wir eben Amor spielen.«
    »Was?«, murmelte ich. »Lass mich raten: wieder ein Spruch von deiner Oma?«
    Anne zuckte mit den Schultern und grinste verlegen. Sie war bei ihrer Großmutter aufgewachsen und gab ständig Ausdrücke von sich, die kein Mensch mehr verwendete. Einige der anderen fanden sie deshalb uncool. Ich fand das nicht. Sie war meine beste Freundin.
    »Ich soll also so tun, als wäre ich ein kleiner fetter Engel?«, fragte ich.
    Anne nickte enthusiastisch. »Wenn es hilft, die beiden zusammenzubringen? Ich weiß genau, wie wir das anstellen werden.«
    Meine Müdigkeit war schlagartig verschwunden. »Nein. Vergiss es.«
    »Aber deine Geburtstagsparty ist dafür ideal!«
    Ich stöhnte. »Nein. Keine Party.«
    »Es ist alles schon geplant! Und ich habe das perfekte Outfit.«
    Ich stopfte meine
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