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Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition)
Autoren: Friedrich Strassegger
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    Prolog
     
    Claire
Bouvery atmete erleichtert auf. Ihre Haushälterin hatte die Villa soeben
verlassen. Beinahe zwanzig Jahre stand die Frau nun in ihren Diensten. Sie war
eine Seele von einem Menschen und nicht um alles in der Welt hätte Madame
Bouvery sie gegen eine andere eingetauscht. Die Gute hatte nur einen wunden
Punkt: Sie redete für ihr Leben gern. Heute war sie besonders anstrengend
gewesen. Den halben Tag lang hatte sie über Claires Geburtstag gesprochen.
    An
diesem freundlichen 5. Juli des Jahres 1991 war Claire fünfundsechzig Jahre alt
geworden. Ihr Mann war Notar in Genf und verbrachte den Tag dienstlich in Bern.
Am Abend würden sie gemeinsam am See in einem Restaurant essen und am
Wochenende vermutlich mit dem Boot herum schippern. Ihr lag nicht besonders
viel an diesen Fahrten, aber sie wusste, dass es ihrem Mann ein Vergnügen
bereitete den Kapitän zu geben.
    Den
Vormittag hatte sie beim Friseur verbracht und später in der Stadt Kaffee
getrunken. Jetzt wollte sie sich in den Lehnstuhl setzen und in einer
Illustrierten schmökern. Es war knapp nach zwei Uhr nachmittags. Wie mehrmals
täglich suchte sie gerade ihre Lesebrille, als die Türklingel schellte. Vorsichtig,
wie Claire Bouvery war, spähte sie durch das kleine Fenster neben der Tür, um
zu sehen, wer ihr da unerwartet seine Aufwartung machte.
    Es
war unschwer zu erkennen: ein Hüne von einem Mann in einer grauen
Chauffeursuniform und einer Mütze auf dem Kopf, die ihn als Mitarbeiter eines
bekannten Blumengeschäftes auswies. In der Hand trug der Mann einen länglichen
Blumenkarton. Im Hintergrund erhob sich die mächtige Wasserfontäne des Jet
d’eau.
    »Von
wem die wohl sein mögen?«, sprach Madame leise lächelnd vor sich hin, während
sie dem Unbekannten arglos öffnete.
    »Guten
Tag, Madame Bouvery?«, der Mann sprach zwar Deutsch, allerdings mit einem
grässlichen Akzent.
    »Sie
wünschen?«
    »Bitte,
die Blumen sind für Sie. Wenn Sie mir den Erhalt hier quittieren wollen.«
    Er
reichte ihr einen Lieferschein und einen Stift.
    »Natürlich,
gerne …«, Madame drehte sich zur Seite und wollte den Lieferschein auf dem
Schuhkästchen unterschreiben, doch der Kuli versagte seinen Dienst.
    »Warten
Sie … ach, treten Sie doch ein. Ich hole einen anderen Stift.«
    Madame
wandte sich ab und wollte in den Salon gehen. Sie war überrascht, dass der Mann
Deutsch und nicht Französisch sprach, dass er ein Ausländer war, verwunderte
sie kaum. Dass
der Riese ihr einen Wattebausch fest gegen Mund und Nase drückte, verwunderte
die Frau auch nicht. Sie war dazu nicht mehr in der Lage.
    Die
nächsten Stunden verbrachte sie teils halb wach, teils im Tiefschlaf. Zweimal
registrierte sie, dass man ihr irgendetwas in den Oberarm injizierte.
    Später
saß sie festgebunden auf einem Stuhl und ein starker Scheinwerfer strahlte ihr
blendend ins Gesicht. Doch all dies nahm sie nur kurze Zeitschemenhaft wahr.
    Als
Claire aus ihrer Besinnungslosigkeit erwachte, lag sie festgeschnallt auf einer
Art Trage in einer Ambulanz oder etwas Ähnlichem. Ihre Augen waren verbunden
und der Mund teilweise zugeklebt.
    Sicher
war, dass sie in einem fahrenden Wagen lag. Hatte sie einen Herzanfall erlitten
und war auf dem Weg in eine Klinik? Nein, das konnte nicht sein - schon des
verklebten Mundes wegen nicht und die Augen würden Sanitäter ihr auch kaum
verbinden. Nun ahnte sie, dass man sie entführt hatte. Ihr krankes Herz begann
bei dieser Erkenntnis schneller zu schlagen, dadurch überfielen sie zusätzliche
Ängste. Ob ihr Mann schon aus Bern zurück war? Was würde er denken? Sicherlich
nicht an ein Verbrechen - er würde bei Bekannten anrufen und sich nach ihr erkundigen.
Stunden würden vergehen, bis er sich entschließen würde, die Polizei zu
verständigen. Bei dem Gedanken, dass sie völlig hilflos ihren Entführern
ausgeliefert war, stiegen ihr Tränen in die Augen. Trotz aller Furcht versuchte
sie abzuschätzen, wie viel Zeit vergangen sein mochte, seit man sie überfallen
hatte. Es gelang ihr nicht. Auch dieser halb wache Zustand währte nur einige
Minuten. Langsam zogen sich die Nebelschwaden zurück und in ihrem Kopf wurde es
klarer. Sie versuchte sich zu bewegen. Es folgte wieder ein Einstich in den
Oberarm und sie versank in einen traumlosen Schlaf.
    Madame
Bouvery war sich in den kurzen Momenten, in denen sie das Bewusstsein erlangte,
nicht sicher, ob sie alles nur träumte oder ob es Realität war. Sie nahm
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