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Die Flammenfrau

Die Flammenfrau

Titel: Die Flammenfrau
Autoren: Jana Held
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    Bruno von Falkenstein zügelte seinen Fuchswallach und schlug sich das Ende des wollenen Umhangs über die Schultern. Der eisige Wind, der ihnen seit Stunden von Norden her entgegenwehte, fraß sich ihm in die Glieder, daß es schmerzte.
    Er schaute sich um. Vor ihnen lag ein weites Schneefeld, und dahinter erhoben sich düster schwarze Berge.
    »Eine weiße Wüste«, bemerkte Faramund von Hohenfels und brachte seinen Braunen neben Brunos Fuchs zum Stehen. »Kein Baum, kein Strauch, nichts, nur dieser verdammte Schnee.«
    Bruno warf dem jungen Gefährten einen finsteren Blick zu.
    »Ich habe Euch nicht eingeladen, mir zu folgen«, brummte er. »Ihr hättet am Hofe in Worms verweilen sollen, wenn Euch mein Weg nicht gefällt. König Dankrat wäre über Eure Gesellschaft gewiß weiterhin sehr erfreut gewesen.« Bruno gab dem Fuchs die Sporen. Seit sie Worms verlassen hatten, ritt Faramund an seiner Seite und hoffte auf ein Abenteuer.
    »Wahrscheinlich ist es ein zugefrorener See«, erklärte der junge Ritter nach einiger Zeit, als sein Brauner wieder auf gleicher Höhe mit Brunos Fuchs ging. Er deutete mit der Hand auf das glatte Schneefeld vor ihnen. »Dort können wir unmöglich ein Lager für die Nacht aufschlagen.«
    »Wir reiten weiter bis zu den Bergen.«
    »Bis zu den Bergen? Aber diese Berge sind schwarz!« Faramund klopfte seinem Pferd ein paar Eiskristalle aus der Mähne.
    Bruno blickte zu dem Gebirgskamm und nickte schweigend.
    »Nicht einmal auf den Höhen liegt Schnee, obwohl man ansonsten überall in diesem kalten, weißen Staub bis zum Hals versinken könnte.«
    Bruno nickte wieder und schmunzelte.
    »Ihr wollt wirklich bis zu den Bergen weiterreiten?« Faramunds Stimme klang besorgt.
    »Wart Ihr nicht auf der Suche nach einem Abenteuer?« Der Ältere hob spöttisch die Brauen.
    »Gewiß, aber…!«
    »Schön.« Bruno mußte lächeln. In manchen Dingen erinnerte Faramund ihn an seine eigene Jugend. Auch er war irgendwann mit einem erfahrenen Ritter über Land gezogen, auf der Suche nach ein paar verwegenen Heldentaten, doch darüber war nun schon mancher Sommer vergangen. Heldentaten reizten ihn nicht mehr. Seit Genovefas Tod gab es ohnehin nichts mehr, was ihm wirklich etwas bedeutete. Mit Genovefa war auch sein Lebenswille gestorben. Allein ihr schattenhaftes Bild, das er des Nachts im Mondschein gesehen hatte, ließ ihn noch atmen. Bleich, fast durchscheinend, umrahmt von silbrigem Licht hatte er sie am Ufer des Rheines stehen sehen, genau an der Stelle, an der er ihre Leiche einst zu Wasser gelassen hatte.
    »Komm nicht mehr her!« hatte sie gesagt. »Reite nach Norden und suche die Burg der Flammenfrau. Dann wird alles gut werden.« Bruno dachte immer und immer wieder an diesen Augenblick zurück. Er hatte Genovefa noch lächeln sehen, bevor geisterhaft wie Nebel ihre Gestalt vom Nachtwind verweht worden war.
    Kurze Zeit darauf war er dann gen Norden aufgebrochen, um diese geheimnisvolle Burg zu suchen. Irgendwo dort in den schwarzen Bergen mußte sie liegen.
    »Glaubt Ihr, daß Gott auch in dieser Gegend wacht?«
    Faramunds Frage riß Bruno aus seinen Gedanken.
    »Nein«, sagte er ungehalten, doch gleich darauf tat es ihm leid, als er Faramunds erschreckten Gesichtsausdruck sah. »Natürlich wacht Gott auch in dieser Gegend«, erklärte er besänftigend. »Wahrscheinlich sogar besonders«, fügte er nach einer Weile hinzu, als er über den finsteren Höhen einen Adler kreisen sah. Er dachte an die alten Götter, die von den Völkern des Nordens noch immer verehrt wurden, und schüttelte den Kopf. Es war müßig in einer solchen Gegend über Gott nachzudenken.
    Faramund blieb mißtrauisch. »Aber schaut Euch doch um, hier gibt es nur Schnee und diese seltsamen schwarzen Berge.«
    »Und einen Adler«, sagte Bruno.
    Faramund folgte dem Blick des Ritters. »Wie kommt ein Adler in diese Eiswüste?«
    »Ich weiß es nicht, aber es sieht so aus, als wäre er auf der Jagd.« Bruno ließ das Tier nicht aus den Augen. Der Adler zog immer größere Kreise und stieß einen heiseren Schrei aus. Es war ein ungewöhnlich großer Greif, dessen schwarzer Schatten sich vor dem grauen Himmel deutlich abhob.
    »Nun, der König der Lüfte hat offensichtlich ein Opfer gefunden«, flüsterte Bruno.
    Der Adler hatte aufgehört zu kreisen und flog geradewegs auf sie zu. Als er noch fünfzig Schritt entfernt war, stieß er wieder einen heiseren Schrei aus und setzte zum Sturzflug an. Bruno duckte
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