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181 - Die Hölleneiche

181 - Die Hölleneiche

Titel: 181 - Die Hölleneiche
Autoren: A.F.Morland
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Der alte James Kingsley war ein zufriedener, bescheidener Mensch, den das Leben nicht verwöhnt hatte. Dennoch hörte man ihn nie klagen.
    Er machte stets einen glücklichen Eindruck und genoß, was gratis war, denn mit irdischen Gütern war er nicht sehr reich gesegnet.
    Ein Sonnenuntergang konnte ihn zum Beispiel für den ganzen Abend beglücken. Wenn die Stimmung besonders prächtig und die Farben des Himmels besonders intensiv waren, konnte er stundenlang davon schwärmen.
    Heute sollte James Kingsley geradezu in Verzückung geraten. Zunächst jedenfalls…
    Das Dorf, in dem er wohnte, hieß Barrygate.
    »Dorf« war schon fast geschmeichelt, denn das schmucklose, langweilige Barrygate stand hart am Rande zur Bezeichnung »Nest«. Manche sagten, Barrygate wäre ein Ort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten.
    Kingsley empfand es nicht so.
    Er war hier aufgewachsen, war Barrygate gewöhnt. Wahrscheinlich hatte er sein Dorf sogar ein bißchen mitgeprägt - und das Dorf ihn.
    Er fühlte sich jedenfalls wohl hier, und wer meinte, nicht in Barrygate leben zu können, der konnte ja seinen Ranzen schnüren und nach London ziehen.
    Mit dem Auto war er in 45 Minuten da.
    Kingsley war 62. Er hatte eine Stirnglatze, doch was es noch an Haarbestand gab, war weiß und sorgfältig gekämmt.
    Er hatte breite Schultern und war in jungen Jahren sehr kräftig gewesen. Auch heute schleppte er noch schwere Lasten, wenn ihm sein Kreuz nicht gerade zu schaffen machte.
    Zweimal hatte ihn das Schicksal brutal geschlagen.
    Er war zu Boden gegangen, hatte aber nicht resigniert, sondern die Zähne zusammengebissen und sich wieder erhoben.
    Cathy, seine geliebte Frau, war von einem Tag zum anderen schwer erkrankt - und innerhalb von drei Monaten war sie tot gewesen, obwohl sie viele Ärzte konsultiert hatte.
    Keiner konnte ihr helfen.
    Zuletzt lag sie in einer Londoner Klinik, abgemagert bis zum Skelett, zu schwach, zu müde, um weiter zu leben. Kingsley saß Tag für Tag an ihrem Bett und hielt ihre Hand.
    Als Cathy ihn eines Tages nicht mehr erkannte, wußte er, daß es bald vorbei sein würde. Bereits am darauffolgenden Vormittag rief ihn das Krankenhaus an…
    Das war der erste schmerzhafte Schlag gewesen.
    Sein Sohn hatte ihn daraufhin zu sich genommen. Gordon wohnte mit seiner Familie in Birmingham.
    »Ich möchte euch nicht zur Last fallen«, hatte Kingsley gesagt.
    »Was soll der Unsinn, Dad?« hatte Gordon erwidert. »Hast du nicht immer gesagt, in einer Familie müsse einer stets für den anderen dasein?«
    Kingsley umarmte seinen Sohn dankbar. Sie hatten damals beide Tränen in den Augen gehabt.
    Zwei Monate später setzte sich ein unverantwortlicher Taugenichts namens Mort Brookman betrunken an das Steuer eines Wagens, der nicht ihm, sondern einem Freund gehörte.
    Er selbst besaß nicht einmal einen Führerschein.
    Und so fuhr er auch.
    Er kam nicht weit, nur fünf Kilometer, dann streifte er einen Baum, geriet auf die Gegenfahrbahn und prallte frontal mit dem Wagen zusammen, in dem Kingsleys Sohn mit seiner hübschen Frau Ethel saß, Drei Tote.
    Es hatte in der Zeitung gestanden, Freunde und Bekannte hatten Kingsley bemitleidet und bedauert. Er hatte damals oft die Worte gehört: »Wenn wir dir irgendwie helfen können, laß es uns wissen,«
    Er hatte niemanden um Hilfe gebeten, weil er wußte, daß nichts schneller ermüdet als Mitleid. Er war nach Barrygate zurückgekehrt und hatte seine Enkelin Janice - sie war damals 12 Jahre alt gewesen - mitgenommen.
    Heute war sie 20 und wohnte immer noch bei ihm. Sie war sein Lebensinhalt geworden. Er liebte sie sehr und wünschte sich für sie alles Glück dieser Welt.
    Der Abend sparte nicht mit Farbe, ging damit sehr verschwenderisch um.
    Nach dem milden Winter war die Natur früher als in den anderen Jahren zu neuem Leben erwacht. Die Bäume hatten schon wieder ihre Blätter, und einige standen bereits in voller Blütenpracht.
    Der Himmel überzog sich mit einem merkwürdigen Rot. Eigentlich war es mehr ein Orange.
    Als stünde er in Flammen!
    Vor der sinkenden Sonne schwebte eine breite, aber nicht sehr hohe Wolkenbank, die den gleißenden Glutball zwar verdeckte, nicht aber seine langen, beeindruckend angeordneten Strahlen.
    Kingsley hatte schon viele Sonnenuntergänge gesehen. Jeder war anders gewesen, und dieser war zweifellos der schönste von allen. Der alte Mann stand ergriffen da und sog dieses wunderbare Schauspiel der Natur dankbar in sich auf.
    Es braucht so wenig, um
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