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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition)
Autoren: Lavie Tidhar
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Press«, sagte Alfred durch den Rauch seiner Zigarette hindurch, »sind, alles in allem, Lieferanten reiner Pornografie. Ungeschliffen, würde ich sagen. Schmutzige Bücher, um mit dem Volksmund zu reden. Verkaufen sich auch ganz gut, wenn ich sie durch den Zoll kriege. Was, ehrlich gesagt, meistens der Fall ist.«
    Pornografie? Und doch schien es zu passen. Sex und Gewalt, dachte er. Hand in Hand durch den Rauch. Das Bild erschreckte ihn, denn es schien etwas in seinem Inneren zu wecken. Der Rauch roch süß, und die Stille war vollkommen – er schüttelte den Kopf, suchte nach seiner Zigarette, merkte, dass er sie in dem schmutzigen Aschenbecher auf dem zweiten Regal vergessen hatte, wo sie inzwischen abgebrannt war. Er zog das Päckchen aus der Tasche, schüttelte eine Zigarette heraus und zündete sie an. »Weißt du sonst noch was?«, fragte er.
    Alfred sah ihn an, und plötzlich waren die alten Augen verschleiert. »Nein«, sagte er. »Falls du Mike Longshott suchst – übrigens auch, wenn es bin Laden ist, hinter dem du her bist –, dann bezweifle ich, dass du die Antwort hier finden wirst. Aber Joe –«
    »Ja?«
    Der alte Mann erhob sich. In seinem Bart hing Asche. Er kratzte sich an einer Ader in seinem zerfurchten kalkweißen Gesicht und ging schwerfällig auf Joe zu. Mit einem Mal fühlte der Buchladen sich um einiges enger an. »Bist du sicher, dass du es herausfinden willst?«

Ein zeitunglesender Mann stand gerade auf
    Wenn er schlief, träumte er nicht mehr, falls er es überhaupt je getan hatte. Schlaf war eine geistige Abwesenheit, ein leerer Raum. Jeden Morgen beim Aufwachen war das Bett wie unberührt, als hätte niemand darin geschlafen. Er wälzte sich hinaus, ging zum Fenster und starrte auf die belebte Straße draußen. Ein junges Mädchen, das vorbeiradelte, hielt sich einen Sonnenschirm über den Kopf, während unter ihm die Straße dahinrollte. Eine braune Promenadenmischung jagte eine Ziege. Schon wurden Kohlen angezündet, auf Miniaturgrills wurde Fleisch vorbereitet, der Rauch von brennendem Fett stieg in den Himmel. Motorroller brausten vorbei. Studenten in weißen Hemden und gebügelten schwarzen Hosen versammelten sich um einen Getränkestand. Ein zeitunglesender Mann da draußen stand gerade auf.
    Joe schlurfte in seine kleine Küche und stellte den Wasserkessel auf. Dabei dachte er flüchtig an Alfred.
    »Warum sollte ich nicht?«, hatte er gesagt, worauf der alte Mann mit einem Schulterzucken erwidert hatte: »Bist du hier glücklich?«
    Joe hatte gesagt: »Was meinst du damit?«, und Alfred hatte gelächelt und gesagt: »Das ist vermutlich auch eine Antwort.«
    Die Bücher stapelten sich auf dem niedrigen Bambustisch. Er goss heißes Wasser in eine Tasse, fügte mit einem Löffel Kaffeepulver und Zucker hinzu, rührte um und nahm das Getränk mit hinüber zum Tisch. Er starrte die Taschenbücher an. Einsatz: Afrika. Die Bombardierung des Sinai. World Trade Centre. Was zum Teufel war ein Welthandelszentrum?
    Hier wirst du die Antwort nicht finden, hatte Alfred ihm gesagt. In dem Wissen, dass Alfred recht und nur artikuliert hatte, was Joe bereits klar war, seufzte er und schlürfte seinen Kaffee. Paris, dachte er, aber der Gedanke schmeckte bitter.
    Er zog die schwarze Kreditkarte heraus und starrte sie erneut an. Geld ist kein Thema, hatte die junge Frau gesagt. Doch Joe wusste, dass das nicht stimmte. Es gab immer Kosten, und sie spielten immer eine Rolle. Das Leben war geschuldet, immer in Wartestellung, immer in Angst vor dem Schritt des Schuldeneintreibers – er schüttelte den Kopf und nippte an seinem Kaffee. Düster, dachte er. Er nahm den Kaffee mit zum Fenster und blieb, den Blick nach draußen gerichtet, dort stehen. Auf der anderen Straßenseite drehte sich ein alter Mann im Schatten eines Papayabaums eine Zigarette. Zwei Kinder jagten auf Fahrrädern hintereinander her. Ein zeitunglesender Mann stand gerade auf. Den betrachtete er eine ganze Weile. Das Gesicht des Mannes konnte er nicht sehen. Seine Schuhe waren schwarz und glänzend. Joe trank die Tasse leer, brachte sie zum Spülbecken und ließ sie dort stehen. Als er hinunterging und die Haustür aufmachte, war der Mann mit der Zeitung nicht mehr da. Joe überquerte die Straße und ging zu Fuß den kurzen Weg zu der Telefonzelle beim Tempel. Er steckte zwei Münzen hinein und wählte.
    »TransContinental Airways, was kann ich für Sie tun?«
    »Ich hätte gern ein Flugticket nach Paris.«
    »Wann möchten Sie
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