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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition)
Autoren: Lavie Tidhar
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PROLOG
    Ein gefälschter jemenitischer Pass
    Das Hilltop-Hotel steht in der Ngiriama Road mitten in Nairobi. Draußen auf der belebten Straße gibt es Schuhputzer, Stände mit Rubbellosen, Taxifahrer, verstaubte Läden, in denen Schreibwaren, Reis, Gewürze aus Sansibar, Konservendosen und frische Tomaten verkauft werden; ein Stück die Straße runter ist ein indisches Restaurant. In den Gebäuden mit den niedrigen Räumen wirbeln elektrische Ventilatoren den Staub umher. Das Hilltop selbst ist ein heruntergekommenes Etablissement, hauptsächlich auf Rucksackreisende ausgerichtet.
    Die Männer in Zimmer 107a waren keine Rucksackreisenden. Sie hatten mit falschen Papieren in dem Hotel eingecheckt und trafen letzte Vorbereitungen für einen Massenmord. Sie selbst sahen sich womöglich nicht als Mörder, auch wenn man sie sowohl nach dem amerikanischen als auch nach dem kenianischen Strafrecht als solche betrachten würde. Die Männer glaubten, im Namen Gottes zu handeln, und vielleicht hatten sie recht. Gott war auf ihrer Seite. Bald würden sie erfolgreich sein.
    Mohammed Odeh traf am vierten August in Nairobi ein. Es war ein Dienstag. Um 7.30 Uhr war er mit einem Nachtbus aus Mombasa gekommen und checkte mit einem gefälschten Pass im Hilltop-Hotel in Zimmer 102b ein. Er legte sich schlafen und stand kurz vor Mittag wieder auf, um sich mit den anderen zu treffen. Bis hin zum langen Bart war er als muslimischer Geistlicher gekleidet. Später wechselte er die Kleidung und zog eine Hose und ein Hemd an. Und rasierte sich den Bart ab.
    Am Mittwochabend verließ er Nairobi. Seine letzten paar Stunden dort verbrachte er mit Einkäufen. In der Moi Avenue, nahe der amerikanischen Botschaft, ließ er sich die Schuhe putzen. Um 22.00 Uhr bestieg er eine Maschine nach Pakistan.
    Der siebte August war ein Freitag. Die US-Botschafterin traf sich gerade in der Ufundi Cooperative Bank unweit der Botschaft mit dem kenianischen Handelsminister Joseph Kamotho. Die Botschaft der Vereinigten Staaten war ein Gebäude mit sieben Stockwerken, fünf über und zwei unter der Erde. Am Posten eins stand Marine Corporal Samuel Gonite. Der Abteilungskommandeur, Gunnery Sergeant Cross, machte gerade seine Runde.
    Mohamed Rashed Daoud Al-Owhali trug an diesem Morgen schwarze Schuhe, ein weißes, kurzärmeliges Hemd, Bluejeans und ein Jackett. Er hatte eine 9-mm-Beretta bei sich. Und fünf Blendgranaten. Um 9.20 Uhr führte er ein Telefonat. Der Lastwagen, ein Toyota Dyna, war bereits mit Kisten, die achthundert Kilogramm TNT enthielten, Zylindertanks, Batterien, Sprengkapseln, Dünger und Sandsäcken beladen worden. Al-Owhali stieg auf der Beifahrerseite ein. Am Steuer saß ein Saudi namens Assam. Ein dritter Mann fuhr in einem weißen Datsun-Pick-up voraus. Er hieß Harun.
    Kurz vor halb elf erreichten sie das Botschaftsgelände. Assam lenkte den Lastwagen zum hinteren Parkplatz. Ein Postauto fuhr gerade weg, und er hielt an, um es vorbeizulassen, ehe er bis zur Schranke vorfuhr. Al-Owhali stieg aus. Er war schon auf dem Weg zu dem einzigen Wachmann, als er merkte, dass er seine Jacke – und seine Beretta – im Lastwagen gelassen hatte. Die Blendgranaten hatte er bei sich. Als er dem Wachmann zurief, er solle die Schranke hochmachen, weigerte dieser sich. Darauf zog Al-Owhali den Stift aus einer der Granaten und warf sie in die Richtung des Wachmanns. Es gab eine Explosion. Schreiend rannte der Wachmann davon. Assam zog die Beretta aus Al-Owhalis Jacke und fing an, auf die Fenster der Botschaft zu schießen. Al-Owhali rannte los. Kurz darauf drückte Assam den Zündknopf.
    Die Explosion riss einen Krater in den Boden. Fenster splitterten, Beton stürzte ein, und sterbende Männer und Frauen flogen durch die Luft. Die nahe gelegene Haile Selassie Avenue war mit Trümmern übersät. Die Fenster der Cooperative Bank, die auf die Avenue gingen, wurden durch die Detonation herausgesprengt. Die amerikanische Botschafterin verlor bei der Explosion das Bewusstsein und trug Schnittwunden von herumfliegenden Glasscherben davon. Das kleine Bankgebäude hinter der Botschaft stürzte auf das Notstromaggregat der Kanzlei, worauf sich Tausende Gallonen Dieselkraftstoff in den Keller der Botschaft ergossen. Der Diesel fing Feuer.
    Zweihundertzwölf Menschen starben bei dem Attentat. Viertausend wurden verwundet. Eine Frau, eine kenianische Tee-Dame aus den Büros im Ufundi House, wurde unter den Trümmern eingeschlossen. Sie hieß Rose Wanjiku.
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