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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf
Autoren: Andreas Föhr
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Prolog
    15 . Juni 2007 , 22  Uhr 58 : Die Nacht war warm. Rechtsanwalt Jonas Falcking stand neben seinem silbernen Porsche. Grillen zirpten, eine Katze huschte vorbei, löste einen Bewegungsmelder aus, die Lampe über der Tür des Hauses schaltete sich ein. Im Erdgeschoss hatte das Haus grüne Fensterläden mit ausgeschnittenen Herzen in der Mitte. Im ersten Stock konnte man im Gegenlicht der Lampe undeutlich einen geschnitzten Holzbalkon erkennen. Bayerischer Landhausstil.
    Eine Ziertanne stand blau auf dem nächtlichen Rasen. Falcking hatte die Hände in die Hosentaschen seines Armani-Anzugs gesteckt. Der Anwalt wartete darauf, dass der Bewohner des Hauses herauskam. Von der Lampe über der Tür fiel Licht auf das Wagendach. Dort hatte die nächtliche Kühle Tau niedergeschlagen. Falcking zog eine Hand aus der Hosentasche und malte mit dem Zeigefinger eine Zwei und dahinter fünf Nullen in den feuchten Fleck. Er betrachtete die Zahl und sog die Abendluft ein. Sie roch nach gemähtem Gras. Falcking hörte Schritte im Haus und wischte die Zahl vom Wagendach.
    Der Mann war Mitte fünfzig, einen Meter neunzig groß und wog einhundertdreißig Kilo. Die Sporttasche sah in seiner fleischigen Hand aus wie ein Damenhandtäschchen. In der anderen Hand hielt er eine Fernbedienung. Auf einen Knopfdruck hin rollte das Garagentor nach oben. Der Mann bedeutete Falcking, ihm zu folgen. Als sie in der Garage waren, ertönte ein Summen. Das Garagentor schloss sich wieder.
    »Muss net jeder zuschauen«, sagte der Dicke.
    »Glaubst, da ist noch jemand wach?«
    »Die hocken mit’m Fernglas hinterm dunklen Fenster.«
    »Quatsch, oder?« Falcking lachte.
    »Ja ohne Schmarrn. Was glaubst du denn? Mir san hier am Land.«
    Der dicke Mann stellte die Sporttasche auf einer Werkbank ab und sah Falcking mit verwaschenem Blick an. Die Haut um die Augen war feucht. Aber er weinte nicht, er schwitzte. Von der Anstrengung, die jede Bewegung ihm verursachte, von dem Dutzend Obstlern, die er getrunken hatte, und auch vor Aufregung über das, was er gleich tun würde. Der dicke Mann öffnete den Reißverschluss der Sporttasche und ließ Falcking einen Blick auf den Inhalt werfen. Im dünnen Licht der Garagenlampe sah Falcking Geldscheine. Sie waren gebündelt. Nicht mit Banderolen wie in der Bank. Ein schlichter Gummi war um jedes Bündel gebrauchter Scheine gespannt worden. Falcking nahm eines der Päckchen heraus. Es war sehr dick und enthielt Fünfzigeuroscheine.
    »Immer hundert in einem Bündel.« Der dicke Mann holte eines mit Zwanzigern heraus und hielt es Falcking hin.
    »Zähl’s nach.«
    Falcking schüttelte den Kopf, nahm dem Mann das Bündel Zwanziger aus der Hand und legte es zusammen mit dem Fünfzigerbündel in die Tasche zurück. »Hundertsechsundneunzigtausend. Dein Wort genügt mir.«
    Falcking machte den Reißverschluss zu. Der dicke Mann warf einen besorgten Blick auf die geschlossene Tasche. »Mach keinen Scheiß, hörst du? Das ist meine Rente. Und die von der Maria. Vielleicht bin ich bald nimmer da.«
    Falcking legte seinen Arm um die Schulter des massigen Mannes. »Du bist noch viele Jahre da. Hörst du?«
    Der Dicke nickte, und die Muskeln um seinen Mund verkrampften sich. Er kämpfte mit den Tränen.
    »Bernd – ich kümmer mich um deine Mädels. Das hab ich dir versprochen, und das halte ich«, sagte Falcking.
    »Ich weiß. Bist a feiner Kerl.« Die Stimme des Mannes war belegt. Er wischte sich mit den Zeigefingern die Augen trocken.
    Falcking zog seinen Schwiegervater an sich, gab ihm einen Klaps auf die Schulter und griff nach der Reisetasche. Der dicke Mann sollte sein Geld nie wiedersehen.

Zur gleichen Zeit …
    … wenige Kilometer entfernt im nächtlichen Mangfalltal. Die Temperatur fünf Grad kälter, Bodennebel in der Flusssenke. Aus dem Wirtshaus fiel Licht auf den Schotterplatz vor dem Haus. Dort standen zwei Motorräder, ein nachträglich mit Spoilern versehener Ford Escort aus den Achtzigerjahren sowie zwei weitere Altwagen. Einer davon auf Ziegelsteinen aufgebockt, verrostet, Fenster und Scheinwerfer fehlten. Schwaches Licht fiel auch auf einen Matratzenrost, zwei abgefahrene Traktorreifen, Bretter und alte Ziegelsteine, die ohne Sorgfalt neben einem Holzschuppen aufgeschichtet waren. Hinter dem Wirtshaus stapelten sich Getränkekisten, gelblich beleuchtet von einer Laterne mit zerbrochener Scheibe. Die Laterne hing über dem Hintereingang. Leises Schluchzen war zu hören, jemand weinte und zog
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