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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition)
Autoren: Lavie Tidhar
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Rettungsmannschaften, darunter Marines und eine israelische Spezialrettungseinheit, versuchten zu ihr vorzustoßen. Sie kommunizierte ständig mit ihnen. Fünf Tage lang war sie verschüttet. Wenige Stunden bevor die Retter endlich zu ihr durchgedrungen waren, starb sie.
    Am Morgen des siebten August, kurz nach dem Anschlag, landete Mohammed Odeh in Karatschi. Als er durch die Passkontrolle ging, kamen im Radio die ersten Nachrichten über das Bombenattentat. Lächelnd durchquerte er das Flughafengebäude und trat hinaus in die Sonne. Draußen steuerte er eine Telefonzelle an und wählte eine Nummer.
    »Emir?«, sagte er in die Stille der Sprechmuschel. Er holte tief Luft. »Mit Gottes Hilfe sind wir erfolgreich.«

TEIL EINS
    Der geheime Krieg

Lichtpfützen
    Im Sommer fällt das Sonnenlicht auf Vientiane und macht Mauern und Menschen durchscheinend. Sonnenlichtpfützen sammeln sich an Straßenecken, und Motorroller, die hindurchfahren, spritzen Licht auf Ladenfronten und hinunter in die Kanäle, die durch die Stadt zum Mekong führen. Das Sonnenlicht besudelt Hemden mit dunklen Schweißflecken und lässt Hunde im Schatten geparkter Autos Zuflucht suchen. Beladen mit Waren wie Bambuskörben, Früchten und Schweinebauchsandwichs schleppen sich Straßenhändler dahin. Die ganze Stadt mit ihrer glänzenden Haut scheint innezuhalten und darauf zu warten, dass die Regenzeit kommt und ein wenig Kühle mitbringt.
    Joe legte das Buch auf den niedrigen Bambustisch und seufzte. Die kleine Porzellantasse vor ihm enthielt starken laotischen Arabica-Kaffee, gesüßt mit den zwei Zuckerstückchen, die er gerne hineintat, eigentlich, wie er wusste, zu viel des Guten, aber er mochte ihn eben so. Neben ihm stand ein Aschenbecher mit zwei Zigarettenstummeln. Ebenfalls auf dem Tisch lag ein Softpack Zigaretten und obendrauf ein Zippo-Feuerzeug, ein schlichtes. Wie jeden Morgen saß er in dem kleinen Café gegenüber dem Parkplatz des Talat-Sao-Marktes im Stadtzentrum von Vientiane. Durch die Glasscheiben konnte er die Mädchen vorbeigehen sehen.
    Das Buch war ein abgegriffenes Taschenbuch mit einem grellbunten Umschlag. Die Abbildung darauf zeigte ein mehrstöckiges Gebäude im letzten Stadium des Zusammenbruchs, eine staubige afrikanische Straße und Menschen, die vor einer Explosion davonrannten. Der Titel des Buches lautete Einsatz: Afrika , und ein nur unwesentlich kleinerer Untertitel wies es als drittes Buch der Serie Osama bin Laden: Vergelter aus. Der Autor trug den merkwürdigen Namen Mike Longshott.
    Joe griff nach dem Päckchen auf dem Tisch und entnahm ihm eine Zigarette, seine dritte. Er zündete sie mit dem Zippo an und starrte zum Fenster hinaus. Sanfter Jazz lag in der Luft. Jeden Morgen kam Joe hierher, von seiner Wohnung in der Sokpaluang Road eine halbe Stunde zu Fuß, vorbei am Busbahnhof und dem angrenzenden Obst- und Gemüsemarkt, an Tuk-Tuk-Fahrern, Hunden, gackernden Hühnern und dem großen Schild mit dem Hoch auf die Tugend der Sauberkeit: »Wir halten unser Land sauber – jeder gute Bürger muss Müll aufheben«; dann über die Ampelkreuzung hinweg in den Talat Sao, den Morgenmarkt, und in das kleine, klimatisierte Café, das ihm mehr als sein eigentliches Büro als Arbeitsplatz diente.
    Dort saß er lange, ohne von jemandem gestört zu werden. Den Blick durch die Fenster nach draußen gerichtet, konnte er sehen, wie Freunde sich trafen und lachend davonspazierten. Eine Mutter ging mit ihren beiden Kindern an der Hand vorbei. Drei Männer rauchten gemeinsam eine Zigarette, unterhielten sich gestikulierend, schlenderten weiter. Auf den Stufen erschien ein Mädchen, das darauf zu warten schien, dass etwas passierte. Als fünf Minuten später durch die Tür ein Junge auftauchte, erhellte ein Lächeln ihr Gesicht, und die beiden gingen, allerdings ohne sich zu grüßen, davon. Vom Parkplatz her kam eine mit Körben beladene Frau vom Dorf herein. Ein Geschäftsmann im Anzug stieg in Begleitung seines Gefolges die Treppe hinunter, alle eilig auf dem Weg zu einem schwarzen Auto und dessen klimatisiertem Schutz. Vor langer Zeit hatte Joe die Erfahrung gemacht, dass man sich zuweilen unter Menschen am ehesten allein fühlen konnte. Davon ließ er sich nicht mehr aus der Ruhe bringen, aber wie er so dasaß, durch die transparenten Glasscheiben von der Außenwelt getrennt, fühlte er sich für einen Augenblick von der Zeit abgekoppelt, als wäre jeder Kontakt zwischen ihm und dem Rest der Welt beseitigt, abgetötet,
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