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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition)
Autoren: Lavie Tidhar
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wenn auch inzwischen etwas gebeugt; er trug Jeans, ein kariertes Hemd und einen Gürtel mit einer großen Metallschnalle, an den Füßen jedoch weder Strümpfe noch Schuhe. Seine Bewegungen waren weich, nahezu lautlos: Er behauptete, dass er bei der Fremdenlegion gewesen sei und auf der französischen Seite im Vietnamkrieg gekämpft habe, und manchmal, dass er Berater des Königs der Khmer gewesen sei, bis ein Missverständnis – über dessen Natur er sich nie näher ausließ – ihn dazu veranlasst habe, das Land schleunigst zu verlassen. Alfred war ein Mann voller Geschichten; jetzt füllte er sein Leben mit denen anderer, war der kleine Laden doch voll mit abgegriffenen und kampfesmüden Büchern, die zu ihrer Zeit, so bemerkte er gerne, mehr von der Welt gesehen hatten als er selbst und, wie er, endlich zur Ruhe gekommen waren, für eine Weile jedenfalls. Er war ein widerwilliger Bücherverkäufer, was, wie Joe fand, gar nicht schlecht war, da er nur selten Kundschaft hatte.
    »Hast du beim Reinkommen eine junge Frau aus dem Gebäude rausgehen sehen?«, fragte Joe. Mit heiterer Miene drehte sich Alfred zu ihm um und schmunzelte. »Das wär’s gewesen«, sagte er.
    »Hast du?«
    Alfred zuckte die Schultern. »Ich hab niemanden gesehen. Warum, arbeitest du gerade an einem Fall?«, sagte er glucksend. »Ist sie eine Verdächtige? Du hättest sie verfolgen sollen. Täte dir sowieso gut, wenn du ein bisschen mehr hinter den Frauen her wärst, Joe.«
    Auch darauf ging Joe nicht weiter ein. Das Wasser kam zum Kochen, und nachdem Alfred Zucker hineingerührt hatte, goss er das schwarze trübe Getränk in zwei kleine Glastassen. » Salut «, sagte er. Und trank den heißen Kaffee geräuschvoll. »Du erinnerst dich an die Bücher, die du mir vor einer Weile gegeben hast?«, sagte Joe. Alfred hatte sie Joe empfohlen, sie ihm geradezu in die Hand gedrückt. »Diese Osama-bin-Laden-Reihe?«
    Alfred setzte sich hinter seinen Schreibtisch und stellte die Kaffeetasse direkt auf der Tischplatte ab, wo sie noch einen weiteren Ring zu den zahllosen anderen hinzufügte, die die Fläche in eine unirdische Landkarte, der Oberfläche des Mondes ähnlich, verwandelt hatte. »Hast du eine Zigarette?«, fragte er Joe.
    »Klar.«
    »Danke.«
    Er nahm die angebotene Zigarette, und Joe setzte sich wieder zwischen die Bücherregale. »Was ist damit?«, fragte Alfred.
    »Weißt du, wer sie geschrieben hat?«
    »Hast du Feuer?«
    »Klar.« Von neuem erhob er sich, schnippte das Zippo auf und hielt die Flamme Alfred hin, der tief inhalierte und einen Ring aus Rauch ausstieß. Joe ließ sich wieder nieder.
    »Longshott«, sagte Alfred. »Mike Longshott.« Er kicherte. »Ein Pseudonym, nehm ich an.«
    Das tat Joe auch, aber – »Was bringt dich auf den Gedanken?«
    »Komm her«, sagte Alfred. Er stand auf, ging um den Schreibtisch herum und steuerte auf das zweite Bücherregal von Joe aus zu. »Mal sehen, Medusa Press … wie’s aussieht, die einzigen Titel, die ich verkaufe. Um ehrlich zu sein, die einzigen Bücher, bei denen ich nichts dagegen habe, wenn sie weggehen. In manchen Teilen der Gesellschaft sehr beliebt.« Seine Finger fuhren an dem Regal entlang, zogen Bücher heraus. »Da.« Als er sie Joe zuwarf und dann zum Schreibtisch zurückging, blieben auf dem Regal Lücken zurück, die den weißen Tasten eines Klaviers glichen. Joe sah sich die Bücher an.
    In Größe und Aufmachung glichen sie den Vergelter -Büchern, die er schon hatte. Das erste trug den Titel Ich war Kommandant Heinrichs Hure . Joe starrte das Cover an. Es zeigte einen blonden Mann in Uniform, der eine Reitgerte in der Hand hielt. Hinter ihm Wachtürme, ein Stacheldrahtzaun. Und zu seinen Füßen eine vollbusige junge Frau in ganz zerrissenen Kleidern, die viel von ihrem Fleisch enthüllten. Sie hielt sich an den Beinen des Mannes fest und sah mit einem undeutbaren Blick zu ihm auf.
    »Dreck«, sagte Alfred. »Schweinkram. Völliger Schrott, natürlich. Wunderbares Zeug.«
    Joe legte es vorsichtig hin und sah sich das nächste an. Bekenntnisse einer zugedröhnten Nymphomanin . Das Umschlagfoto zeigte eine barbusige Blondine, die sich auf einem Sofa zurücklehnte, während über ihr der finstere Schatten eines Mannes aufragte, der ihr eine Opiumpfeife in den schlaffen Mund steckte.
    Das dritte Buch hieß einfach Nutte .
    Der Autor der ersten beiden Titel hieß Sebastian Bruce. Die Autorin des dritten war unter dem Spitznamen Gräfin Szu Szu bekannt. »
    Medusa
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