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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition)
Autoren: Lavie Tidhar
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fliegen?«
    Darüber brauchte er nicht nachzudenken. »Mit der nächsten verfügbaren Maschine.«
    »Einen Moment bitte, Sir.«
    Er konnte hören, wie sie mit Papier raschelte, die Flugpläne auf ihrem Schreibtisch durchging, den nächsten Flug mit der Passagierliste verglich, die Verfügbarkeit von Plätzen prüfte …
    »Sir?«
    »Ja?«
    Er warf noch eine Münze in den Schlitz. In der Telefonzelle war es heiß, so dass er die Tür mit dem Fuß aufschob und festhielt.
    »Der nächste Flug geht heute um dreizehn Uhr, via Bangkok.«
    »Klingt gut«, sagte er. Eine Gruppe orange gewandeter Mönche zog vorbei und verschwand durch das Bogentor des Tempels. Eine alte braunhäutige Frau, die vor dem Tor Bananen röstete, rauchte beim ständigen Wenden der schwarz gewordenen Bananen eine langstielige Pfeife. »Bezahlen können Sie in unserem Büro in der Lan Xang Road«, sagte die Frau, »wir akzeptieren Bargeld, Schecks oder –«
    »Ich möchte mit Kreditkarte bezahlen.«
    Kurzes Schweigen. Eine Fliege kam summend in die Telefonzelle, doch als Joe versuchte, sie zu erwischen, blieb nur Luft in seiner Handfläche zurück, und er musste die Tür loslassen. Die Fliege summte, als lachte sie ihn aus.
    »Selbstverständlich, Sir.«
    Diesmal kam ihm das Sir etwas prononcierter vor. Er zog die schwarze Kreditkarte heraus. Dann mal los, dachte er. Übers Telefon las er der Frau die geheimnisvolle Ziffernfolge vor und nannte ihr seinen Namen. Er hatte gedacht, sie würden sonst noch etwas brauchen, aber das schien ihr zu genügen. »Einen Moment bitte, Sir.«
    Während er wartete, versuchte er, die Fliege zu fangen, doch sie bewegte sich zu viel. Er schob die Tür wieder auf und wischte sich das Gesicht an seinem Hemd ab, das dabei fleckig wurde. Das durch die Scheiben hereinströmende Sonnenlicht blendete ihn fast, und für einen Moment konnte er jenseits davon gar nichts sehen, so dass seine Welt auf diesen rechteckigen Kasten reduziert war – »Sir?«
    »Ja?«
    »Bitte holen Sie Ihr Ticket am Flughafen ab. Check-in ist eine Stunde vor Abflug, und in Bangkok müssen Sie umsteigen.«
    »Danke«, sagte Joe leicht benommen, und die Stimme am anderen Ende sagte: »Keine Ursache, Sir. Ich wünsche Ihnen einen guten Flug.«
    »Danke«, sagte er noch einmal, bevor er den Hörer wieder auf die Gabel hängte. Von neuem starrte er die Karte an, sah nichts, steckte sie wieder in die Tasche und trat hinaus.

Eine gelb-weiße Farbschicht
    Er beschloss, an diesem Morgen nicht ins Talat Sao zu gehen. Seine sorgfältig aufgebaute Routine war unterbrochen, untergraben worden. Auf dem kurzen Weg die Sokpaluang Road entlang zu seiner Wohnung fragte er sich, wie er sich fühlen sollte. War es Freiheit, die ihm so plötzlich und unerklärlich Angst einjagte? Ich hätte nein zu ihr sagen sollen, dachte er, doch seine Gedanken glitten weg von dem Bild der Frau, das in seinem Bewusstsein entstand. Sie hatte ihre Hand auf seine gelegt, und ihr Haar war ihr rundherum ins Gesicht gefallen, hatte es eingerahmt – nein.
    Was dann?
    Als er sich seinem Haus näherte, bemerkte er etwas aus dem Augenwinkel und konnte im Umdrehen gerade noch den Rücken eines Mannes sehen, der durch die Tür des kleinen Gemischtwarenladens verschwand. Was er noch wahrnahm, waren dessen Kurzhaarschnitt, sein breiter, gebräunter Nacken, ein hellblaues Hemd, eine unauffällige schwarze Hose, glänzende schwarze Schuhe. »Verdammter Mist!«, sagte Joe.
    Er wandte sich um und überquerte erneut die Straße, wobei er um Haaresbreite einem Zusammenstoß mit zwei Mädchen auf einem Motorroller entging, die sich anschließend nach ihm umsahen und verlegen kicherten. Er winkte, um ihnen zu verstehen zu geben, dass ihm nichts passiert war, worauf sie, immer noch kichernd, davonrasten. Sich zwischen Steigen und alten Kartons hindurchschlängelnd, ging er zu dem Laden und stieß die Tür auf. Drinnen roch es stark nach trocknendem Fisch.
    »Sabai Dii, Mister«, sagte die junge Frau hinter der Theke, die Handflächen zum nop aneinandergelegt.
    »Sabai Dii«, sagte er, die traditionelle Begrüßungsgeste erwidernd. Die Frau schaute sich auf einem kleinen Fernseher eine japanische Spielshow an. Auf einer Bühne hüpfte ein Japaner in einem europäischen Clownskostüm herum, während links und rechts von ihm zwei Kandidaten versuchten, ihn mit langen Bambusstangen zu treffen. Der Mann duckte sich und vollführte Sprünge, um ihnen kein Ziel zu bieten, was komisch und erstaunlich anmutig
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