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Nur für eine Stunde?

Nur für eine Stunde?

Titel: Nur für eine Stunde?
Autoren: Judith Arnold
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schimpfte sie. “Was ist los mit dir?”
    Sie hörte Lucy rastlos durchs Zimmer tappen, dann zur Tür, die sie mit der Nase aufstieß. Wieder fiepte und jaulte sie.
    “Okay, okay, du hast gewonnen.” Martha stand ärgerlich auf, nahm ihren Bademantel vom Schaukelstuhl und schlüpfte hinein. Als sie den Gürtel zuband, hörte sie von unten einen Laut, der sich wie ein Klopfen anhörte. Lucy bellte sie scharf an, ein unmissverständliches “Hab ich’s dir nicht gesagt?” Wie der Blitz raste sie die Treppe hinunter.
    Martha folgte ihr. Wer um alles in der Welt würde um diese Zeit an ihre Haustür klopfen? Vielleicht ein Nachbar in Not, aber sie hatte Telefon und eine Türklingel. Jetzt hörte sie das Klopfen wieder und ganz deutlich. Sie schaltete die Außenbeleuchtung an, checkte die Sicherheitskette und öffnete die Tür einen winzigen Spaltbreit. Draußen stand Blake, das Haar verwuschelt, sein Flanellhemd lang unter der Jeansjacke heraushängend. “Was machst du denn hier?” Sie raffte die Revers ihres Bademantels zusammen. “Wieso klopfst du wie ein Irrer an meine Tür?”
    “Weil deine Klingel nicht funktioniert.”
    “Ich meinte … was du hier tust. Weißt du, wie spät es ist?”
    “Ich konnte nicht schlafen. Ich hatte einen schlimmen Traum.”
    “Und deshalb reißt du mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf?”
    “Ich habe von einer verlorenen Stunde geträumt und stattdessen dich verloren.”
    Sie antwortete nicht. Wieso fand er den Traum so schlimm? Er hatte sie ja nie wirklich gewollt, also konnte der Verlust nicht sehr tragisch sein. Und dass sie in seinem Traum mit einer Stunde gleichgesetzt wurde, war nicht gerade schmeichelhaft.
    “Lass mich rein, Martha.”
    Sie musterte ihn durch den Türspalt. Das Licht der Lampe ließ seine Haare golden glänzen, ließ seine Augen leuchten, zeichnete weich seine Gesichtszüge nach. Sie hasste ihn dafür, so attraktiv zu sein. Sie hasste ihn, weil schon allein seine Anwesenheit sie erregte.
    “Ich liebe dich. Lass mich rein.”
    Ihr Herz setzte einen Schlag aus, begann dann wild zu rasen. Er meinte das nicht, er sagte das nur, um in ihr Haus zu kommen. Und wenn er erst drinnen wäre, wäre es um sie geschehen. Unwiderruflich. Es würde zu spät sein, sich vor ihm zu schützen.
    Es war schon zu spät. Die Türkette war kein Schutz gegen ihn, er war schon in ihrem Herzen und würde wahrscheinlich für immer darin bleiben. Sie hakte die Kette aus und öffnete die Tür. Er trat ins Haus, machte die Tür hinter sich zu, betrachtete sie in dem gedämpften Flurlicht. Lucy beschnupperte seinen Schuh und ließ sich auf seinem Fuß nieder. Er bückte sich, kraulte sie am Ohr und sie schnaufte glücklich.
    “Martha.” Er blickte zu ihr hoch, die Finger in Lucys Fell gegraben. “Ich bin in den letzten Monaten fast verrückt geworden. Warum, das weiß ich erst, seit du heute Nacht bei mir warst.”
    “Was?” Sie zog die Revers fester zu. “Ich war nicht bei dir. Du bist wirklich verrückt.”
    “Du bist in mein Schlafzimmer gekommen, als ich schlief.”
    Sie lachte nervös. “So ein Unsinn! Das hast du geträumt.”
    “Vielleicht … ja … aber es erschien mir so wirklich, dass ich wetten könnte …”
    “Was?”
    “Dass du tatsächlich bei mir warst.”
    “War es ein … erotischer Traum?”
    Er lachte. “Ganz im Gegenteil. Ich sagte doch, dass der Traum schrecklich war.” Er schilderte ihr die Traumszenen. “Und als du plötzlich fort warst, habe ich deine Worte erst richtig verstanden – dass ich etwas viel Wichtigeres verloren hatte als die eine Stunde.” Er hörte auf, Lucy zu streicheln und ergriff Marthas Hände. “Ich hatte dich verloren. Deine Liebe. Ich habe lange gebraucht, um zu begreifen, warum ich am Durchdrehen war. Weil ich dich verloren hatte, Martha. Weil ich dich liebe und in meinem Leben brauche.”
    Wie sehr sie sich in der Nacht der Weihnachtsfeier nach diesen Worten gesehnt hatte. Jetzt aber – konnte sie ihm glauben?
    Wie hätte sie ihm nicht glauben können! Er war auf den Knien vor ihr, ihre Hände haltend wie Rettungsleinen. Und seine Augen, seine hypnotisch schönen Augen waren ehrlich. In ihrer leuchtenden Tiefe sah Martha Liebe und Sehnsucht.
    “Liebst du mich noch?”, fragte er.
    “Ja, Blake.” Sie hockte sich zu ihm nieder. “Ich liebe dich, aber ich werde dir nie alles geben können.”
    “Aber du gibst mir alles.”
    “Ein selbst gebackenes Brot wirst du nie von mir bekommen.”
    Er lachte befreit.
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