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Nur für eine Stunde?

Nur für eine Stunde?

Titel: Nur für eine Stunde?
Autoren: Judith Arnold
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einer eintönigen Existenz – jeden Morgen das korrekte Kostüm anziehen, jeden Morgen die halbstündige Fahrt mit der Straßenbahn in die Innenstadt, dann ins Büro, Daten analysieren, Bilanzen erstellen, am Abend mit der Straßenbahn nach Hause. Obwohl es genau das war, was sie sich beim College-Abschluss vorgestellt hatte, machte das tägliche Einerlei ihr ziemlich zu schaffen.
    Und dann war sie im Juli auf Cape Cod gewesen. Irgendetwas hatte sie in Bann gezogen, oder es war die Kombination von allem – die Sommerhitze, der Kokosduft der Sonnenschutzlotion, der körnige Sand, den sie unter ihren nackten Füßen in ihrer Ferienhütte spürte, die belebende Brise vom Meer, die hübschen Cafés und Boutiquen in Hyannis. Also hatte sie, während ihre Freundinnen eine Bootstour machten, am Nachmittag des zweiten Urlaubstages Blake Robey aufgesucht.
    Er hatte ihr den Job auf der Stelle angeboten, und – vielleicht lag es an ihrer Benommenheit nach dem ersten langen Sonnentag, oder es war vielleicht doch eine Spur Abenteuerlust in ihr, vielleicht waren auch Blakes unglaublich blaue Augen der Grund – sie hatte angenommen. Ohne eine Minute zu überlegen.
    “Gefällt Ihnen Ihr neues Büro?”, fragte er, als sie an einer roten Ampel hielten.
    “Ja.” Sie hätte etwas mehr Begeisterung zeigen sollen. Sie hätte ihm sagen sollen, dass sie von ihrem neuen Büro hingerissen war. “Es ist bedeutend größer als das alte”, fügte sie hinzu. Enthusiastisch klang das auch nicht gerade.
    Blakes Firma war aus der ehemaligen Textilfabrik herausgewachsen, in der er sein Unternehmen vor ein paar Jahren gegründet hatte. Der Umzug hatte die ganze vergangene Woche gedauert, aber das große neue Gebäude westlich vom Flughafen war bis zum Freitagabend noch immer ein Dschungel von unausgepackten Kartons und herumstehenden Büromöbeln gewesen. Auf Blakes Frage hin, ob jemand freiwillig seinen Sonnabend opfern wolle, um das Chaos in ein echtes Zuhause für die Firma zu verwandeln, hatte sich ein Großteil der Belegschaft gemeldet.
    Natürlich auch Martha. Was hätte sie sonst an einem kühlen Sonnabend im Oktober unternehmen können? Vielleicht einen ausgedehnten Strandspaziergang mit Lucy machen, ihre Lebensmittelvorräte auffüllen, eine Ladung Wäsche waschen oder die Blätter im Garten zusammenharken. Sie hätte auch eine lange Radtour machen können – und genau das tat sie. Geradewegs zur Firma.
    Sie wäre auch mit dem Rad nach Hause gefahren, wenn Blake nicht anders entschieden hätte. Gegen fünf, als die Korridore endlich frei von Kartons und die Bürostühle auf die Räume verteilt waren, verkündete Blake, dass er Pizzas bestellen würde und dass alle, die noch bleiben wollten, um bei der Dekoration des Eingangsbereichs und der Einrichtung der Lounge zu helfen, seine Gäste wären. Die Hälfte der Freiwilligen war gegangen, da sie andere Pläne hatten. Martha hatte nie Pläne. Also war sie geblieben.
    Um acht, als die letzte Blumenampel in der Lobby aufgehängt war und in der Angestellten-Lounge die Wurfscheibe für das Dartspiel ordentlich an der Wand hing, als der Billardtisch, der Fernseher und der Mikrowellenherd an ihrem Platz standen und auch das letzte Paket Kaffee im Schrank über dem Küchentresen verstaut war, hatten alle einander zu dem gelungenen Job gratuliert und waren nach Hause getrottet.
    Als Martha an ihrem Fahrradschloss hantierte, stand plötzlich Blake neben ihr. “Hey, um diese Zeit sollten Sie nicht nach Hause radeln!”
    “So spät ist es noch nicht.”
    “Aber es ist dunkel.”
    “Kein Problem. Mein Rad hat Licht. Da, sehen Sie selbst.”
    “Trotzdem sollten Sie nicht fahren, es ist zu unsicher. Besser, ich bringe Sie nach Hause. Ihr Rad können wir auf dem Rücksitz verstauen.”
    “Okay. Wenn Sie darauf bestehen …” Es irritierte sie, dass die Autofahrt mit Blake Robey ihr wie ein nervenaufreibendes Abenteuer vorkam. Zwar war er nicht der beste Fahrer, aber man konnte nicht behaupten, dass er schlecht fuhr. Er wirkte etwas müde – schließlich war es ein langer, anstrengender Tag gewesen – aber er schien bei guter Stimmung zu sein. Nicht dass er sich umbrachte, um mit ihr eine Unterhaltung in Gang zu bringen, aber das konnte ihr nur recht sein, da ihre Gespräche mit ihm sich grundsätzlich um die Finanzen der Firma drehten und sie keine Lust verspürte, an einem Samstagabend über Umsätze und Gewinne zu diskutieren.
    Sie unterdrückte einen Seufzer. Dass sie nicht über die
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