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Nur für eine Stunde?

Nur für eine Stunde?

Titel: Nur für eine Stunde?
Autoren: Judith Arnold
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zurückstellen musste.
    Und es gab viele Uhren in ihrem Haus – die Wanduhr in der Küche, die Uhr am Herd, die Uhr in der Kaffeemaschine und die Uhren im Fernsehapparat und dem Videogerät. Oben die Uhr im Gästezimmer und ihr Wecker. Nicht zu vergessen ihre Armbanduhr.
    Auf der Bettkante sitzend, starrte sie auf den Radiowecker auf ihrem Nachttisch und dachte über diese mysteriöse Extrastunde nach. Wohin ging dieses Stückchen Zeit? Woher kam es?
    Was tat Blake mit dieser Stunde?
    Sie konnte es sich denken.
    Mit einem tiefen Seufzer schlug sie die Decke zurück und glitt unter das kühle Laken. Ein Mann wie Blake Robey würde an einem Samstagabend nicht allein unter die Decke schlüpfen. Er war nicht verheiratet, und dem Büroklatsch nach hatte er keine feste Freundin, aber Martha war sich sicher, dass er jederzeit ein weibliches Wesen finden würde, das sein Bett wärmte.
    Würden Blake und seine Gespielin bis zwei Uhr morgens wach bleiben, um herauszufinden, woher die Extrastunde kam?
    Martha lachte über die Absurdität des Gedankens. Doch als sie nach dem Radiowecker griff, um die Zeit umzustellen, wurde sie merkwürdig nervös. Sie fummelte an den Knöpfen, und plötzlich erfüllte ein melancholischer Song von Bonnie Raitt das Schlafzimmer.
    Vielleicht hatte sie am falschen Knopf gedreht, weil sie in Wirklichkeit diese Uhr nicht zurückstellen wollte. Warum sollte sie nicht bis zwei wach bleiben, dann die Uhr zurückstellen und die geschenkte Stunde genießen. Was hinderte sie? Morgen war Sonntag, sie konnte so lange schlafen, wie sie wollte.
    Martha knipste die Nachttischlampe aus. Es wurde dunkel im Raum – abgesehen von der leuchtenden Digitalanzeige des Weckers. Bonnie Raitt klagte und trauerte, dass ihr Angebeteter sie nicht liebte. Der Song verstärkte Marthas Einsamkeitsgefühl, aber sie brachte es nicht fertig, das Radio auszustellen. Ein anderes Stück erklang, noch ein Klagelied über unerfüllte Liebe, über Sehnsucht und Träume. Martha schloss die Augen und sah Blake vor sich … seine glänzenden blauen Augen, seine Grübchen, seinen sehnigen, schlanken Körper. Sie glaubte seine Hand auf ihrer Haut zu fühlen. Eingelullt von den wehmütigen Klängen der Radiomusik, umhüllt von Dunkelheit und Erinnerungen, driftete sie in einen wohligen Dämmerschlaf hinüber.
    Und dann hörte die Musik auf. Die jähe Stille weckte Martha abrupt auf. Sie öffnete die Augen und sah die leuchtenden Ziffern auf ihrem Wecker. Zwei Uhr.
    Ein langer Schatten durchkreuzte ihre Blicklinie, bewegte sich zum Radio, berührte einen Knopf. Die Zwei auf dem Display wich einer Eins.
    Martha hielt den Atem an. Jemand war in ihrem Schlafzimmer. Jemand hatte das Radio ausgedreht und die Zeit zurückgestellt. Jemand stand neben ihrem Bett.
    Sie flehte, in der Dunkelheit etwas sehen zu können, flehte, dass ihr Herz ruhiger schlüge, damit sie nicht bewusstlos würde. Sie flehte, dass der Eindringling, der in ihr Schlafzimmer vorgedrungen war, ihr nichts antun würde und wieder verschwände. Er konnte mitnehmen, was er wollte – ihr Geld, ihren Schmuck, alle ihre Geräte mit den integrierten Uhren. Aber bitte, bitte, flehte sie still, tu dem Hund und mir nichts an.
    Der Schatten nahm Gestalt an. Groß, schlank, die Silhouette eines Mannes. Er rührte sich nicht.
    “Wer sind Sie?”, flüsterte sie und zog die Decke bis ans Kinn. Ihr Puls pochte derart heftig in ihren Schläfen, dass es schmerzte. “Was wollen Sie von mir?”
    “Ich bin dein Geschenk”, flüsterte er zurück. “Es ist deine Stunde, und hier bin ich.”

2. KAPITEL
    Ich träume, dachte Martha. Es muss ein Traum sein!
    Es konnte nur ein Traum sein, denn sonst hätte sie eine Sterbensangst gehabt. Aber sie hatte keine Angst.
    Dies war ihr Bonus. Die Extrastunde außerhalb der realen Zeit. Sie konnte damit tun, was sie wollte.
    Es war zu dunkel, um das Gesicht des Eindringlings zu erkennen. Und zu still, um etwas anderes zu hören als seinen Atem und ihren hämmernden Puls. “Was wollen Sie?”, fragte sie von Neuem, aber in etwas festerem Ton als beim ersten Mal.
    “Dich.” Nur das eine Wort. Es hätte sie mit einem Schrei aus dem Bett treiben müssen, aber stattdessen versetzte es sie in prickelnde Erregung. Ein weiterer Beweis, dass es ein Traum war.
    Sie strengte ihre Augen an, sah jedoch nichts als die dunkle Silhouette. Er schien von der Gürtellinie aufwärts nackt zu sein, da die Konturen seines muskulösen Oberkörpers sich klar gegen das Dunkel
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