Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur für eine Stunde?

Nur für eine Stunde?

Titel: Nur für eine Stunde?
Autoren: Judith Arnold
Vom Netzwerk:
abzeichneten. Dem Umriss seines Kopfes nach hatte er fast schulterlanges Haar, das etwas zerzaust schien. Vom Wind, folgerte Martha. Oder weil er in einem Kabrio zu ihr gefahren war?
    Wie aber war er ins Haus gekommen? War er durchs Fenster geklettert? Warum hatte Lucy nicht gebellt?
    Es ist ein Traum, sagte sie sich. Es spielte keine Rolle, wie er ins Haus gekommen war. Das einzig Wichtige war, dass er hier war und dass die Stunde ihr gehörte. Sie ließ den Blick wieder zu seiner Brust gleiten, dann, nach kurzem Zögern, tiefer. Ganz sicher war sie sich nicht, aber es schien, als ob er enge Jeans trug.
    Ein Mann mit nacktem Oberkörper und in engen Jeans stand um zwei Uhr morgens in ihrem Schlafzimmer. Und er wollte sie.
    Er trat etwas näher ans Bett. Eine vage Angst erfasste sie – nicht Angst, dass er ihr etwas antun könnte, das nicht. Er war ja ihr Geschenk für ihre Extrastunde. Trotzdem konnte sie eine vage Furcht nicht abschütteln, denn einen Traum wie diesen hatte sie noch nie gehabt. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte.
    “Hab keine Angst”, flüsterte er. Himmel, konnte er ihre Gedanken lesen?
    Er machte noch einen Schritt, stützte ein Knie auf die Matratze, die sich leicht senkte. Dadurch rutschte Martha näher an ihn heran, und ihre Hand berührte sein Bein. Sie fühlte die Textur des Stoffes. Jeans, kein Zweifel.
    Er schob das Bein weiter vor und legte sich auf das Bett. Martha wünschte, er würde sprechen – vielleicht konnte sie ihn an seiner Stimme erkennen. Denn selbst wenn dies ein Traum war, wollte sie wissen, wer ihr geheimnisvoller Besucher war.
    Als ob sie es nicht gewusst hätte! Er war derselbe Mann, von dem sie seit jenem Vorstellungsgespräch im Juli in einem fort träumte. Sie wusste, wessen Haar genau diese Länge hatte und wessen Schultern diese Breite. Wenn sie die Augen schloss, würde sie wahrscheinlich auch seine Grübchen vor sich sehen.
    Dies waren ihr Traum und ihre Stunde. “Sie sollten sie nicht vergeuden”, hatte Blake gesagt.
    Okay. Sie würde sie nicht vergeuden. Aber wie das Beste draus machen? Sie hatte erbärmlich wenig Erfahrung mit Männern, und die paar, mit denen sie sich eingelassen hatte, waren total biedere Typen gewesen. Sie waren nie halb nackt in ihren nächtlichen Fantasien erschienen, und hätten sie es getan, dann hätte sie sie augenblicklich verscheucht.
    Marthas Bekanntschaften waren kein Stoff für Träume. Es waren Männer, die auf solide, mittelmäßig aussehende Frauen standen; Frauen, die aus dem Jonglieren mit Zahlenkolonnen Befriedigung zogen. O ja, Martha wusste, wer und was sie war, und falls sie je das Bedürfnis haben sollte, zu heiraten, dann würde sie einen jener netten, zu ihr passenden Männer nehmen und ihr Möglichstes zu einem glücklichen gemeinsamen Leben beitragen.
    Martha vermutete, dass das Bedürfnis, sich zu binden und mit einem zuverlässigen Partner eine Familie zu gründen, sich einstellen würde, sobald sie ihre Fantasien von total unerreichbaren Männern aufgegeben hätte. Von Männern wie Blake oder diesem schattenhaften Fremden.
    “Hab keine Angst”, wiederholte er flüsternd. Hätte er mit voller, klarer Stimme gesprochen, hätte sie ihn vielleicht erkannt. Aber wahrscheinlich war es besser, wenn er anonym blieb. Seine Ähnlichkeit mit Blake brachte ihr Herz ohnehin schon zum Rasen.
    Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, und seine Fingerspitzen hinterließen heiße Spuren auf ihrer Haut. Hätte sie etwas mehr Mut gehabt, hätte sie ihn berührt. Aber sie war von Panik erfüllt. Er konnte ihr noch so oft sagen, keine Angst zu haben, es hätte nicht geholfen. Sie fühlte sich unsicher und … erregt.
    Behutsam ließ er seine Hand leicht über ihr Gesicht gleiten, zeichnete ihre Augenbrauen nach, ihren Nasenrücken, ihre Lippen. Er strich an ihrem Kinn entlang zu ihrer Schläfe, zu ihrem Ohr. Sie fragte sich, ob er ihr Gesicht sehen konnte, oder ob er es wie ein Blinder mit den Fingerspitzen erkundete. Sie fragte sich, ob er ahnte, was sie bei seinen Liebkosungen empfand. Sie fragte sich, wann seine andere Hand sich dazugesellen würde. Und wann sie den Mut aufbringen würde, ihn zu berühren.
    Eine ihrer Fragen wurde beantwortet, als er mit der freien Hand nach dem Rand der Bettdecke fasste, die sie wie einen Schutzschild umklammert hielt. Sanft zog er ihr die Decke weg und berührte ihre Schulter. Martha dachte entsetzt an ihren Baumwollpyjama, den er sicher kindisch fand. Sie hatte nie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher