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Nur für eine Stunde?

Nur für eine Stunde?

Titel: Nur für eine Stunde?
Autoren: Judith Arnold
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wäre. Zwar wusste Blake, dass er nicht normal funktionierte, aber er war sich absolut sicher, dass Lucy etwas mitzuteilen hatte. Etwas Schlimmes.
    Er stieg aus und ging zögernd auf das Haus zu. Lucys Gebell wurde wilder, als er sich weiter vorwagte und sich der Veranda näherte. Keine Frage, da stimmte etwas nicht. Ich sehe Gespenster, sagte Blake sich. Im schlimmsten Fall würde gleich Martha herauskommen und ihn anschreien, was ihm einfiele, auf ihrem Grundstück herumzulaufen. Nun, ihm würde schon eine Antwort einfallen.
    Der Hund klang jetzt geradezu hysterisch. Blake lief die Stufen zur Veranda hinauf. Er roch etwas – Rauch! Direkt hinter der Tür kläffte Lucy.
    “Martha?” Blake klopfte. Der Rauchgeruch war beißend stark. Er trommelte mit der Faust gegen die Tür. “Martha!”
    Der Hund bellte, heulte, kratzte.
    “Verdammt! Martha, wo bist du?” Er rüttelte am Türknauf. Abgeschlossen. “Martha!”, schrie er und musste wegen des beißenden Rauchs husten.
    Vielleicht hat sie eine Rauchvergiftung! schoss es ihm durch den Kopf. Was war, wenn sie bewusstlos da drinnen lag? Er rammte seine Schulter gegen die Tür, wieder und wieder, warf sich dann mit seinem ganzen Gewicht dagegen. Nach dem fünften Versuch splitterte das Holz und die Tür ging auf.
    Der Hund rannte ihn fast über den Haufen, als er auf die Veranda schoss. Kein Wunder, die Küche war voller Qualm. Blake hielt den Arm vors Gesicht und brüllte Marthas Namen. Keine Antwort.
    Blake kniff die Augen zusammen und suchte nach der Quelle des Rauchs. Der Herd! Er raste durch die Küche, stellte den Schalter auf null und riss die Backofentür auf. Dicker schwarzer Qualm schlug ihm entgegen. Er schnappte sich die Ofenhandschuhe. In der Backform, die er aus dem Ofen zog, qualmte ein brikettähnliches Gebilde. Erst als er die Form im Spülbecken hatte und Wasser darüber laufen ließ, bemerkte er die Ähnlichkeit des Briketts mit einem Brot. Auf dem Küchentisch sah er ein leicht verrußtes Buch liegen: “Brotbacken leicht gemacht”.
    Er riss die Fenster auf und wedelte den Rauch fort. Es stank noch immer entsetzlich, und er ging ins Wohnzimmer und öffnete auch dort die Fenster. “Martha?”, rief er von Neuem, aber es blieb beklemmend still. Vielleicht lag sie irgendwo ohnmächtig auf dem Boden.
    Er blickte sich suchend im Wohnzimmer um, das ihm irgendwie bekannt vorkam. Das zweisitzige Polstersofa, der große Lehnsessel, die bunten Flickenteppiche – er war schon in solchen Zimmern gewesen. Nach einem flüchtigen Blick auf die beiden Bücher, die auf dem Tisch lagen – “Makramee, die Kunst des Knotens” und “Seidenmalerei” — ging er in den Flur. Auch der geschnitzte Geländerpfosten am Fuß der Treppe sah vertraut aus. Es war der typische Treppenstil der Cape-Cod-Häuser.
    Er hastete die Treppe hoch, erleichtert, dass das Obergeschoss frei von Rauch war. “Martha?”, rief er, obwohl er inzwischen fast sicher war, dass sie sich nicht im Haus befand.
    Von dem kleinen Korridor gingen drei Türen ab. Blake konnte sich nicht erklären, wieso er wusste, welche Tür zu Marthas Schlafzimmer führte. Er wusste es ganz einfach.
    “Martha?” Er klopfte, dann schob er die Tür langsam auf, machte einen zögernden Schritt in den Raum. Als er schließlich das Zimmer betrat, hatte er das sichere Gefühl, dass er schon einmal hier gewesen war. Er hatte nichts mit mystischen Dingen am Hut, mit Déjà-vu und früheren Leben und ähnlichem esoterischem Zeug. Aber als er den Blick durch den Raum schweifen ließ – von der hellen Frisierkommode zu dem frei stehenden ovalen Spiegel, von dem Schaukelstuhl zu den Vorhängen, zum Nachttisch mit dem Radiowecker und schließlich zu dem breiten Messingbett – da wusste er genau, wie die blaue Steppdecke sich anfühlte. Wusste, wie Martha in diesem Bett aussah – in ihrem weißen Baumwollpyjama, die Augen groß und erwartungsvoll.
    Verblüffend, diese Gewissheit, dass er schon einmal in diesem Zimmer gewesen war. In diesem Bett. Mit Martha in den Armen. Natürlich war das nie passiert, aber das Gefühl war erschreckend stark …
    Ein Schrei riss Blake aus seiner Trance. Er rannte die Treppe hinunter.
    “O mein Gott! O mein Gott!” Vom Flur aus sah er sie mit einem Fleischmesser bewaffnet mitten in der Küche stehen, Lucy um sie herumtänzelnd.
    “Lass mich am Leben!”, rief Blake. “Ich bin’s.”
    Sie starrte ihn an und ließ langsam das Messer sinken. “Was fällt dir ein, in mein Haus
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