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Nur für eine Stunde?

Nur für eine Stunde?

Titel: Nur für eine Stunde?
Autoren: Judith Arnold
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belügen? Schon sein Schweigen verletzte sie, das konnte er sehen. Ihr Lächeln schwand und auch der Glanz in ihren Augen.
    “Martha, wir haben eine sehr schöne Beziehung, die ich nicht missen möchte.” Himmel, wie erbärmlich das klang.
    “Schon gut.” Ihr Lächeln war jetzt nur noch ein Schatten. Sie löste sich aus seinen Armen und setzte sich auf. “Es tut mir leid.”
    “Nein.” Er musste sich entschuldigen, nicht sie.
    “Ich hätte nichts sagen sollen, vergiss es. Ich dachte nur …”, sie rückte von ihm fort, als er sie halten wollte, “… dass wir miteinander ehrlich sein könnten, das ist alles.”
    “Das können wir. Wir sind es”, sagte er. Er war ja ehrlich gewesen, nur hatte sie leider auf eine andere Antwort gehofft.
    Sie stand auf, und er sah sie durchs Zimmer tappen und ihre Kleider aufsammeln. “Geh bitte nicht.” Er wusste, dass er sie nicht ein zweites Mal stoppen konnte – mit was für Erklärungen hätte er sie halten können? Hilflos beobachtete er, wie sie mit ihren Sachen ins Bad huschte und leise die Tür hinter sich schloss. Dann hörte er die Dusche rauschen.
    Verzweifelt überlegte er, wie er den Morgen retten könnte. Ihm fiel nichts ein. Er hatte sie verloren, und die einzige Möglichkeit, sie zurückzugewinnen, würde eine Liebeserklärung sein. Und das wäre eine Lüge. Das Fairste und das Einzige, was er tun konnte, war im Bett liegen zu bleiben und Martha gehen zu lassen.
    “Ich hab alles vermasselt”, sagte Martha. Sie und ihre Schwester hatten ihre Mutter zum Rest der Familie ins Wohnzimmer geschickt, um nach dem Weihnachtsdinner Ordnung ins Küchenchaos zu bringen.
    “Einem Mann zu sagen, dass man ihn liebt, muss nicht unbedingt ein Fehler sein, Schwesterherz”, sagte Nancy und reichte Martha ein Weinglas zum Abtrocknen. Trotz der drei Jahre, die sie älter war, gab sie Martha selten einen Rat, da sie grundverschieden waren. Nancy war immer versponnen und künstlerisch gewesen und liebte große romantische Gesten.
    “In diesem Fall”, erwiderte Martha, “war es ein Fehler.”
    “Es hat dich verletzt, dass er dir nicht auch seine Liebe gestanden hat. Aber wenigstens weißt du jetzt, dass er ein Schuft ist – einer von vielen. Er hat dich nicht verdient, Martha, ohne ihn bist du besser dran.”
    “Vergiss nicht, er ist mein Boss.”
    Nancy reichte ihr das nächste Glas. “Na und? Glaubst du, er wird dich feuern, nur weil dir herausgerutscht ist, dass du ihn liebst?”
    “Nein”, murmelte Martha und seufzte tief. “Aber ich …”
    “Ich weiß, wie dir zumute ist, aber du wirst drüber wegkommen.” Nancy schüttelte das Wasser von dem letzten Glas. “Ich war tausend Mal verliebt, bevor ich Larry kennenlernte. Man verliebt sich, man trennt sich, man leidet und mit der Zeit heilen die Wunden. Und solange man leidet, kann man den Schmerz in Kreativität umleiten. Wie wär’s, wenn du das tätest?”
    “Ich bin nicht kreativ.”
    “Natürlich bist du das. Jeder ist kreativ.” Nancy ergriff einen Scheuerschwamm und nahm sich den Bratentopf vor. “Dein Haus kann sicher noch Verschönerungen gebrauchen. Mach dich ans Werk. Näh hübsche Vorhänge, streich das Badezimmer knallrot, back einen Kuchen oder Brot, versuch dich im Sticken. Tu irgendwas Produktives, um auf andere Gedanken zu kommen.”
    “Ich werde meinen Job kündigen.”
    Nancy starrte sie mit offenem Mund an. “Bist du verrückt?”
    “Es ist mein Neujahrsentschluss. Es schmerzt zu sehr, weiterhin bei Blake zu arbeiten. Nach allem, was passiert ist. Es ist demütigend und peinlich.”
    Nancy warf ihr einen Blick zu und fuhr dann fort, mit wütendem Elan den Topf zu schrubben. “Dein Problem, Martha, besteht darin, dass bei dir alles fehlerlos stimmen muss, so wie deine Bilanzen. Aber das Leben ist keine mathematische Gleichung, sondern eine Herausforderung, eine Kunst, ein Wagnis, das man eingehen muss. Was am Ende herauskommt, hängt unter anderem davon ab, wie man mit fremden und eigenen Fehlern umgeht.”
    “Bist du neuerdings Philosophin?”, bemerkte Martha brummig.
    Nancy ignorierte ihren Kommentar. “Ich bitte dich, tu nichts Überstürztes. Du hast einen gut bezahlten Job, du hast dir ein Haus gekauft. Es wäre falsch, die Dinge zu überstürzen.”
    “Glaub mir, ich werde nie mehr etwas Übereiltes tun. Meine Kündigung wäre ein absolut vernünftiger Schritt. Schließlich muss ich an meine psychische Gesundheit denken. Ich werde einen anderen guten Job finden. Oder das
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