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Spione kuesst man nicht

Spione kuesst man nicht

Titel: Spione kuesst man nicht
Autoren: Ally Carter
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B estimmt fühlen sich viele Mädchen manchmal unsichtbar. Sie verschwinden einfach. Ich auch. Cammie, das Chamäleon, das bin ich. Aber ich hab mehr Glück als die meisten, weil das an meiner Schule als cool gilt.
    Ich gehe nämlich auf eine Schule für Spione.
    Technisch gesehen ist die Gallagher Akademie für außergewöhnliche junge Frauen eine Schule für Genies – nicht Spione –, und wir können jede Karriere anstreben, die unserer außergewöhnlichen Ausbildung entspricht. Aber wenn eine Schule so etwas behauptet und einem dann Dinge wie Verschlüsselung für Fortgeschrittene und vierzehn verschiedene Sprachen beibringt, ist das so, wie wenn man uns sagt, Zucker sei ungesund und dann einen Cola-Automaten gleich neben dem Eingang der Schule aufstellt. Wir Gallagher Girls wissen sofort, was ein Lippenbekenntnis ist, wenn wir eines hören. Selbst meine Mutter verdreht die Augen, verbessert mich aber nicht, wenn ich die Akademie Spionageschule nenne, und sie ist schließlich die Schulleiterin. Außerdem ist sie eine ehemaligeAgentin der CIA, und es war ihre Idee, das alles aufzuschreiben. Es ist mein erster Bericht über geheime Operationen, um zusammenzufassen, was im letzten Semester passiert ist. Sie erklärt uns immer, dass das Schlimmste im Leben eines Spions nicht die Gefahr ist, sondern der Papierkram. Wenn man mit einem Atomsprengkopf in der Hutschachtel in einem Flugzeug aus Istanbul sitzt, will man sicher nicht darüber schreiben. Deshalb jetzt mein Bericht – sozusagen als Übung.
    Falls ihr der Sicherheitsstufe Vier angehört, wisst ihr bestimmt alles über die Gallagher Girls. Schließlich gibt es uns schon seit über hundert Jahren (die Schule, mich nicht – ich werde nächsten Monat erst sechzehn!). Ansonsten haltet ihr uns wahrscheinlich für ein Spionagemärchen, das sich die Leute ausgedacht haben – wie Jet-Packs und Anzüge, die einen unsichtbar machen –, und fahrt an unseren efeubewachsenen Mauern vorbei, betrachtet unser herrliches Gebäude und den manikürten Rasen und vermutet wie alle anderen Leute, dass die Gallagher Akademie für außergewöhnliche junge Frauen nur ein versnobtes Internat für stinkreiche Mädchen ist, die sich langweilen und nicht wissen, wo sie sonst hingehen sollen.
    Ehrlich gesagt, dagegen haben wir nichts. Deswegen hat sich wahrscheinlich auch niemand in unserer Stadt (Roseville, Virginia) Gedanken über die vielen Limousinen gemacht, die meine Mitschülerinnen im September auf den Campus bringen.
    Ich beobachtete von einer Fensterbank im dritten Stock des schlossartigen Gebäudes, wie die Autos unter dem grünen Laub der Bäume auftauchten und durch die hohen schmiedeeisernen Tore fuhren. Die fast einen Kilometer lange Auffahrt,die sich durch die Hügel wand, sah so harmlos aus wie Dorothys gelbe Backsteinstraße im Zauberer von Oz. Das ist der Grund, weshalb die Leute nicht die geringste Ahnung haben, dass es dort Laserstrahlen, die Reifenprofile abtasten, Sensoren, die Sprengstoffe aufspüren, und einen Abschnitt gibt, der sich öffnen und einen ganzen Lastwagen verschlucken kann. (Falls ihr das schon für gefährlich haltet, fang ich mit dem Teich lieber gar nicht erst an!)
    Ich schlang die Arme um die Knie und starrte durch das wellige Glas des Fensters. Die roten Samtvorhänge waren im winzigen Erker zugezogen, und ein merkwürdiges Gefühl inneren Friedens hüllte mich ein, obwohl ich wusste, dass die Flure in zwanzig Minuten gerammelt voll sein würden, dass Musik plärren würde und ich kein Einzelkind mehr wäre, sondern eine von hundert Schwestern. Ich wusste die Stille jedenfalls zu schätzen, solange sie währte. Und wie um meine Gedanken zu bestätigen, ertönte plötzlich ein lauter Knall. Der Geruch nach brennenden Haaren schwebte über die Haupttreppe vom Geschichtssaal im zweiten Stock nach oben. Ihm folgte die unverkennbare Stimme von Mrs Buckingham. »Mädchen!«, schrie sie. »Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass ihr das Ding nicht anfassen sollt?« Der Gestank wurde intensiver, und eine Siebtklässlerin brannte wahrscheinlich immer noch, weil Mrs Buckingham jetzt »Stehen bleiben! Stehen bleiben, hab ich gesagt!« brüllte.
    Dann stieß Mrs Buckingham ein paar französische Schimpfwörter aus, die die Siebtklässlerinnen wahrscheinlich erst drei Semester später verstehen würden. Mir fiel ein, dass jedes Jahr eine der Neuen während der Schülerorientierung frech wird und damit angibt, dass sie sich das Schwert von
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