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0456 - Der Geisterseher

0456 - Der Geisterseher

Titel: 0456 - Der Geisterseher
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Hin und wieder verdiente Angelique Cascal sich einige Handvoll Dollar hinzu, indem sie Buddy in seinem Pub aushalf. Nicht immer kam ihr Bruder Yves mit genügend Geld nach Hause, daß sie sich die nächsten Tage durchschlagen konnten; dann mußte die Haushaltskasse anders aufgefüllt werden. Dann bediente Angelique schon mal in dem Jazzlokal, in dem ein paar Provinzgrößen, die allerdings kaum über die Grenzen von Baton Rouge, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Louisiana, hinaus bekannt waren, live auftraten und die Gehörgänge der Gäste mit den Mißklängen malträtierten, die ihre Saxophone und rabenhaften Stimmen hervorbrachten. Die Rauchschwaden, die die Gäste mit ihren Zigaretten und Zigarren produzierten, standen im umgekehrten Größenverhältnis zu ihrer Zahlungskräftigkeit.
    Als die hübsche, sechzehnjährige Kreolin das erste Mal bei Buddy jobbte, hatten ein paar Jungs in quergestreiften T-Shirts versucht, ihr mit eindeutig zweideutigen Aufforderungen und unsittlichen Berührungen näher zu treten, als es ihr angenehm war. Noch ehe Buddy selbst einschreiten und derlei Übergriffe unterbinden konnte, hatte Angelique bereits zwei Männer mit dauerhaften Gesichtsmarkierungen klargemacht, daß sie an jeder Hand fünf lange, scharfe Fingernägel besaß. Seitdem war sie ›die Katze‹, hatte aber ihre Ruhe. Mit der Zeit fand sie sogar eine Art Stammpublikum, das sich nur von ihr bedienen ließ, wenn sie mal wieder auftauchte; man unterhielt sich über Gott und die Welt, und das Girl konnte manchem alten Hasen und mancher altgedienten Piratenbraut, die sich hier den Frust von der Seele trank, gute Tips für Haushalt und Küchenherd geben. Auf diesem Sektor war Angelique außergewöhnlich firm. In früheren Zeiten wäre sie wahrscheinlich als eine Art ›Kräuterhexe‹ eingestuft worden, nur hatte dieser Begriff heute meist einen recht negativen Beigeschmack, und deshalb dachte auch niemand daran, sie so zu nennen.
    Mit dem dunkelhäutigen Buddy, dem Betreiber des Pubs, verstand Angelique sich prächtig. Buddy, breiter als hoch und nie anders als in geflickten Jeans und bis zum Nabel offenen, etwas speckigem Hemd mit Blumenmuster anzutreffen, den unvermeidlichen, stets kalten Dreizentimeter-Zigarettenstummel im linken Mundwinkel - böse Zungen behaupteten, seine dort befindliche Zahnlücke sei nur deshalb entstanden, weil er Platz für den Zigarettenstummel benötigte -, war eine Seele von Mensch. Er paßte in diese Gegend, in das Hafenviertel der Stadt, wie der Deckel auf den Topf. Im Gegensatz zu anderen Wirten war er auch bemüht, sein Lokal sauber zu halten. Er hatte eine Nase für Kriminelle; die schmiß er gleich raus. Einmal hatten sie ihn deshalb kleinmachen wollen. Zu dritt wollten sie ihn verprügeln. Buddy ließ sich einfach fallen und begrub zwei der Schläger unter seinen Fleischmassen. Der Dritte wurde von Buddys Stammgästen zur Tür hinausbefördert. Die wußten, was sie an dem dicken Neger hatten und sorgten dafür, daß er keine Schwierigkeiten bekam.
    Einer, der weniger gern hier gesehen wurde, war Angeliques Bruder Yves. Unter diesem Namen kannte ihn keiner. Er war l'ombre , der Schatten. Ein Mann, der versuchte, stets auf der Kippkante der Legalität balancierend, sich durchs Leben zu schlagen, und der hin und wieder mit einer Kleinigkeit hinter den Zaun geriet. Aber irgendwie geschah es jedesmal, daß er dadurch wiederum anderen half.
    Vor kurzem erst hatte er es fertiggebracht, ein Auto unerlaubt auszuleihen, und als er hinter der nächsten Straßenecke anhielt, um es zu untersuchen, fiel ihm die tickende Bombe auf dem Rücksitz auf, die mit der Zündung verbunden und durch deren Betätigung scharf geschaltet worden war. Er hatte es gerade noch geschafft, ins Freie zu hechten, als die Bombe auch schon explodierte. Der Autobesitzer selbst hätte diese Sprengladung nicht einmal rechtzeitig bemerkt; seit diesem Tag waren Yves ›Ombre‹ Cascal und Roger Brack Freunde.
    Wie auch immer - für Buddy reichte es, daß Ombre nicht immer den strikten Buchstaben des Gesetzes folgte, ihn mit dem Reichsbann zu belegen. Sein freundschaftliches Verhältnis zu Angelique wurde davon nicht belastet.
    An diesem Abend war eine Menge los.
    Angelique machte Pause.
    Sie war fix und fertig. Die Bude war gerammelt voll, und die Leute tranken, als gäbe es morgen keinen Tropfen mehr. Da spielte auch das Wetter mit; die Hitzewelle machte allen zu schaffen und sorgte allgemein für Durst. Angelique hatte auf
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