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Menschen und Maschinen

Menschen und Maschinen

Titel: Menschen und Maschinen
Autoren: Robert Silverberg
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Er haßte die Fenster, die nur ein Humanoide öffnen konnte – ein Mensch stürzte sich möglicherweise in die Tiefe. Und er konnte sich auch nicht mit dem riesigen Musikzimmer anfreunden, dessen herrliche Einrichtung nur von einem Humanoiden gesteuert werden durfte.
    Er drängte das Projekt ebenso voran wie der alte Mann, aber Sledge warnte ihn ernst: »Sie dürfen nicht zuviel Zeit bei mir verbringen. Die Humanoiden sollen nicht erraten, daß unsere Arbeit wichtig ist. Spielen Sie lieber ein wenig Theater – Sie gewöhnen sich allmählich an die neue Pracht und helfen mir nur, um die Zeit totzuschlagen.«
    Underhill versuchte es, aber er war kein guter Schauspieler. Er ging regelmäßig zu den Mahlzeiten heim. Er bemühte sich krampfhaft um eine Konversation – er sprach über alles, nur nicht über die Detonation von Wing IV. Er versuchte Begeisterung an den Tag zu legen, wenn Aurora ihm eine neue Verbesserung im Haus zeigte. Er lobte Gays musikalische Fortschritte und ging mit Frank in den herrlichen neuen Parks spazieren.
    Und er sah, was die Humanoiden seiner Familie antaten. Das genügte, um seinen Glauben an SIedges Integrator zu stärken, und seine Entschlossenheit, die Humanoiden aufzuhalten, wuchs ständig.
    Aurora hatte anfangs in Lob geschwelgt. Die neuen Humanoiden nahmen ihr die Haushaltslast ab, brachten das Essen, stellten die Mahlzeiten zusammen und badeten die Kinder. Ihr selbst fertigten sie großartige Kleider an, und sie hatte genug Zeit zum Bridgespielen.
    Aber allmählich hatte sie zuviel Zeit.
    Das Kochen beispielsweise hatte ihr Spaß gemacht – zumindest ein paar Spezialgerichte, die von der Familie immer bewundert wurden. Aber Öfen waren heiß und Messer scharf. Küchen waren viel zu gefährlich für die leichtsinnigen und selbstmörderisch veranlagten Menschen.
    Sie hatte feine Stickarbeiten zu ihrem Hobby gemacht, aber die Humanoiden nahmen ihr die Nadeln weg. Sie war gern mit dem Auto gefahren, aber das durfte sie nicht mehr. Sie flüchtete zu Romanen, aber die Humanoiden räumten das Regal leer, weil die Bücher von traurigen Menschen in gefährlichen Situationen handelten.
    Eines Nachmittags fand Underhill sie in Tränen aufgelöst vor.
    »Es ist zuviel«, schluchzte sie. »Ich hasse diese nackten Dinger. Sie ekeln mich an. Anfangs erschienen sie mir großartig, aber nun gönnen sie mir nicht einmal ein Stück Schokolade. Können wir sie nicht loswerden, Liebling?«
    Ein blinder kleiner Roboter stand neben ihnen, und er mußte sagen, daß es unmöglich sei.
    »Unsere Aufgabe ist es, für immer dem Menschen zu dienen«, versicherte er sanft. »Ich mußte Ihnen die Süßigkeiten wegnehmen, Mrs. Underhill, weil schon das geringste Übergewicht die Lebenserwartungen verkürzt.«
    Nicht einmal die Kinder konnten dieser allumfassenden Hege entkommen. Frank mußte ein ganzes Arsenal an tödlichen Instrumenten abgeben – Fußball und Boxhandschuhe, Taschenmesser, Kreisel, Steinschleuder und Schlittschuhe. Er haßte das harmlose Plastikspielzeug, das er statt dessen erhielt. Er versuchte wegzulaufen, aber ein Humanoide erkannte ihn auf der Straße und brachte ihn zurück in die Schule.
    Gay hatte immer davon geträumt, eine große Musikerin zu werden. Die neuen Roboter hatten ihre menschlichen Lehrkräfte ersetzt. Eines Abends, als Underhill sie bat, ihm etwas vorzuspielen, verkündete sie entschlossen:
    »Vater, ich will nie wieder Geige spielen.«
    »Weshalb denn, Kleines?« Er sah sie entsetzt an und erkannte die Bitterkeit in ihren Zügen. »Du spielst doch wunderbar – besonders seit die Humanoiden deine Ausbildung übernommen haben.«
    »Das ist es ja, Vater.« Ihre Kinderstimme klang mit einemmal merkwürdig müde. »Sie sind zu gut. Ganz gleich, wie lange ich übe, ich könnte nie so gut werden wie sie. Es hat keinen Sinn. Verstehst du das nicht, Vater?« Ihre Stimme zitterte. »Es hat einfach keinen Sinn.«
     
    *
     
    Er verstand sie. Mit doppelter Entschlossenheit widmete er sich seiner heimlichen Aufgabe. Die Humanoiden mußten aufgehalten werden. Langsam nahm das Richtgerät Gestalt an, und dann setzten Sledges zitternde Finger das letzte winzige Teil ein, das Underhill hergestellt hatte. Sorgfältig lötete er die letzte Verbindung.
    »Es ist geschafft!« flüsterte der Alte heiser.
    Wieder war die Abenddämmerung hereingebrochen. Hinter den Fenstern der schäbigen kleinen Zimmer – Fenster aus gewöhnlichem, verzogenem Glas, die ein Mensch selbst öffnen konnte –
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