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Sehnsucht nach Leben

Sehnsucht nach Leben

Titel: Sehnsucht nach Leben
Autoren: Margot Kaeßmann
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Der Candler School of Theology an der Emory University in Atlanta und MBA in Dankbarkeit für eine wunderbare Zeit
Vorwort
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    Sehnsucht. Ein Wort, das unmittelbar Gefühle in uns auslöst. Sich sehnen, das ist etwas sehr Emotionales, da geht es um ganz Eigenes, es schwingen Lebensfragen, Hoffnungen mit. Ein Mensch, der sich sehnt, träumt von Veränderung, wagt, das Vorgefundene infrage zu stellen. Wenn wir uns nach etwas sehnen, bedeutet dies ja, dass wir wagen, Neues, ganz anderes zu denken – in unserem persönlichen Leben oder auch für unsere Welt.
    â€žDie Zukunft gehört denen, die an die Schönheit ihrer Träume glauben.“ Diesen Ausspruch von Eleanor Roosevelt schrieb mir jemand in den Kommentar meines Blogs, den ich während meiner Zeit in den USA führte. Ein bewegender Satz. Wer träumt, malt Bilder von einer anderen Zukunft. Er oder sie hat noch die Kraft zu hoffen, den Mut zu denken, dass alles anders werden kann, und gehört nicht zu denen, die einfach aufgeben oder meinen, sie könnten nichts ändern, weil es nun mal so ist, wie es ist.
    Sehnsucht stellt die Frage nach dem Sinn meines Lebens, nach dem, was mich im tiefsten Inneren bewegt. Deshalb ist Sehnsucht auch eine so kreative Kraft, selbst da, wo sie belächelt wird. Sie treibt Menschen vorwärts und veranlasst sie dazu, Literatur und Musik, Bilder und Verse zu erschaffen. Sie sehnt sich noch im Alter nach einer neuen Liebe – wie unsinnig! Er glaubt tatsächlich, er könne die Welt gerechter machen – wie unrealistisch! Sie meint in der Tat, Frieden könne auch durch Worte und nicht nur durch Waffen geschaffen werden – wie naiv. Er denkt darüber nach, seinem Leben noch einmal eine neue Richtung zu geben – wie blauäugig!
    Die Sehnenden sind wie die Träumenden. Weil sie sich nach Leben, ja, nach erfülltem Leben sehnen, wollen sie die Welt verändern. Träumende und Sehnende denken über Grenzen hinaus, so wie Martin Luther King, der den Traum hatte, dass einst seine Kinder frei leben könnten in einem Land, in dem die Hautfarbe eines Menschen keine Rolle spielt. Doch er wurde dafür belächelt, ja, verachtet und gehasst und bezahlte seine Sehnsucht nach einer gerechten Welt am Ende mit dem Leben.
    Träumende und Sehnende finden sich nicht mit der vermeintlich unveränderbaren Realität ab, sondern malen Bilder der Zukunft, die über die Wirklichkeit hinausgehen. Dabei kann Sehnsucht eine ungeheure Kraft entfalten: Ich denke etwa an die Sehnsucht, nach Hause, nach Jerusalem zurückzukehren, von der so mancher biblische Psalm singt. Sehnsucht kann auch weltbewegend sein, ja, die Welt verändern. Denken wir nur an die Sehnsucht nach Freiheit, die nordamerikanische Sklaven antrieb und ein ganzes Land bewegte, bis schließlich ein schwarzer Präsident mit seiner Familie ins Weiße Haus in Washington einzog. Oder die Sehnsucht nach Gleichberechtigung, die Frauen in vielen Ländern der Erde auf die Straße trieb, bis dieses Versprechen in der Verfassung verankert war.
    Auch die Bibel weiß von solcher Sehnsucht nach Leben zu erzählen. Etwa wenn es in Psalm 126 heißt: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsere Zunge voll Rühmens sein ... Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“ (Verse 1, 2 und 5). Der Psalmbeter fasst jene Sehnsucht nach Freiheit und Frieden und erfülltem Leben in Worte, die auch über Jahrtausende hinweg nichts von ihrer Bedeutung verloren haben.
    Aber in der Sehnsucht – im Sehnen, das zur Sucht werden kann – schwingt auch die Ahnung von schmerzlichen Erfahrungen mit. Wenn ich das, worauf sich meine Sehnsucht richtet, nicht erreiche, kann das bitter sein. Wenn der Mensch, nach dem ich mich sehne, den ich begehre, mich zurückweist, tut das weh. Wenn meine Sehnsucht nach Gott sich nicht so erfüllt, wie ich es mir vorstelle, kann das eine herbe Enttäuschung hervorrufen. Wenn mein Leben auf krumme Wege, ja, auf Abwege gerät, wird mich das beängstigen, mein Leben einengen. Dann gilt es, die nötige Kraft zu finden, um mit der Nichterfüllung der Sehnsucht leben zu können, ohne ständig vom Schmerz darüber niedergedrückt zu werden.
    Sehnendes Verlangen kann auch krankhaft sein und sich sogar in Form von Todessehnsucht äußern. Und es gibt
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