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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Großteil des Champagners auf dem Boden. Offensichtlich ist das der Deal. Schöner Deal.
    Lillian trug ein silberfarbenes Ballkleid. Kein Scheiß - sie hat’s mir gesagt. Ich fragte:
    »Warum?«
    »Ich dachte, wir könnten tanzen, wäre mal was Neues.«
    »Hast du eine Kapelle bestellt?«
    »Ein Orchester.«
    Ich sah ihr ins Gesicht, sagte:
    »Ich kann nur hoffen, dass du Witze machst.«
    Durchtriebenes Lächeln, dann: »Ich mache nie Witze.«
    »Was, verstecken die sich etwa im Flur?«
    Ich zeigte auf mein Zimmer, setzte hinzu:
    »Wird ganz schön eng für die Jungs.«
    »Sie sind im Ballsaal.«
    Ich fragte nicht mal nach, wo der sich befand, dachte aber: »Wie scheiß groß ist das Haus eigentlich?«
    Ich hatte mich nie richtig darin umgesehen, aber am kommenden Freitag, wenn die beiden bei ihrem Glamourinterview waren, würde ich wie ein Derwisch alles durchstöbern. An den Ästen rütteln, mal sehen, was herunterfiel.
    Wir stießen an und ich sagte:
    »Sláinte.«
    Sie fragte: »Was ist das?«
    »Irisch.«
    Sie schüttelte sich gespielt angewidert, murmelte:
    »Eine Nation von Witzfiguren und Schwätzern.«
    »Na so was, wie englisch du bist.«
    Sie kam näher, sagte:
    »Ich bring dir gleich Französisch bei.«
    Ich ließ sie.
    Ihr Parfüm roch nach chlorgetränkten Mottenkugeln. Vielleicht lag’s am Champagner, aber ich kam. Nicht unbedingt spektakulär nach meinen Unternehmungen mit Aisling, eher ein erbärmliches Getröpfel. Wie Regen auf Kreta.
    Sie wischte sich über den Mund, sagte:
    »Wir müssen wieder Blei in den Stift bekommen.«
    Ich sagte: »Du hast mich fertig gemacht, ich kann auf keinen Fall noch tanzen.«
    Sie kaufte es mir ab, sagte:
    »Wir tanzen morgen, jetzt schlaf, mein Süßer.«
    Als sie weg war, duschte ich kochend heiß, bekam ihre Berührung kaum ab. Im Bett versuchte ich an Aisling zu denken und nicht an Briony.
    Weder das eine noch das andere funktionierte.

D er Anruf kam um zwei Uhr am Mittwochnachmittag. Ich nahm den Hörer ab, gab mich auf die entsprechende Frage mit einem »ja« als »Mr. Mitchell« zu erkennen.
    Es war die Polizei.
    »Kennen Sie eine Aisling Dwyer?«
    »Ja.«
    »Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass sich ein tragischer Unfall ereignet hat.«
    »Was?«
    »Auf einem Zettel in ihrer Handtasche standen Ihr Name und Ihre Telefonnummer.«
    »Wie geht es ihr,
    wo,
    wann,
    oh Gott.«
    Man gab mir die Adresse des Krankenhauses in Islington und ich fuhr hin. An den Ablauf der Ereignisse kann ich mich nicht mehr erinnern. Nur daran, dass sie tot war, ein Unfall mit Fahrerflucht auf der High Street. Ein Mann hatte sich zu ihr gehockt und ihre Hand gehalten, bis der Krankenwagen eingetroffen war. Irgendwann später brachte mir jemand einen Kaffee. Er schmeckte nach Styropor. Dann bekam ich den »braunen Umschlag«. Ihre Habseligkeiten.
    Darin befanden sich
    Geld
    Portemonnaie
    Telefonkarte
    Uhr
    Kein Ring.
    Sie musste ihn zu Hause gelassen haben. Ich wunderte mich darüber, dass sie ihn abgenommen hatte. Am Donnerstag fuhr ich in den frühen Morgenstunden nach Hause. Trank mich besinnungslos.
    Freitagmittag kam ich irgendwann wieder zu mir. Gott, ich war bis aufs Mark erschüttert. Als ich mir eine Zigarette drehen wollte, tanzten meine Finger wieder Fandango. Schweiß lief mir in Strömen über die Stirn, brannte mir in den Augen. Ich wusste, dass mir ein Scotch beim Runterkommen helfen würde, aber würde ich dann je wieder aufhören können?
    Einen Scheiß würde ich.
    Ich ging zum Minikühlschrank, nahm ein Bier. Foster’s.
    Wann hatte ich das gekauft, oder schlimmer ... warum?
    Mach dir keinen Kopf.
    Ich zog den Ring ab, trank in tiefen Zügen. Es lief mir übers Kinn, durchnässte mein dreckiges T-Shirt. Dann zerdrückte ich die Dose à la Richard Dreyfuss in Der weiße Hai und warf sie in die Ecke.
    Es wirkte, und mein System beruhigte sich. Duschte, rasierte mich, zog ein weißes Hemd an, frische schwarze Jeans. Riskierte einen Blick in den Spiegel.
    Wie ein heruntergekommener Kellner.
    Okay, Zeit, sich umzusehen.
    Im Haus war es still, sie waren wirklich weg. Ich mied Lillians Zimmer. Das kannte ich schon viel zu gut. Dauerte eine Weile, bis ich das von Jordan gefunden hatte. Ich wusste, dass es seins war, weil es abgeschlossen war. Ich stieß mich von der Wand gegenüber ab und trat die Tür ein. Hätte dabei fast die Scharniere mitgenommen.
    Vorsichtig betrat ich den Raum - versteckte Sprengladungen waren definitiv nicht auszuschließen.
    Das Zimmer war
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