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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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ich:
    »Wart mal eine Sekunde«, und schleuderte das Paket weit weg.
    »Was war das?«
    »Meine Vergangenheit.« Ich öffnete den Bush, nahm einen langen, amtlichen Schluck. Er brannte. Wow, und wie. Bot Norton die Flasche an. Er schüttelte den Kopf.
    »Nee, nicht beim Fahren.«
    Was absurd war, weil er sowieso schon einen in der Krone hatte. Er war nie ganz nüchtern. Als wir Richtung Süden fuhren, laberte er von der Party. Ich klinkte mich aus.
    Die Wahrheit ist, ich hatte ihn jetzt schon über.
    Norton meinte: »Wir nehmen die landschaftlich schönere Strecke.«
    »Von mir aus.«
    Allmählich spürte ich, wie der Whiskey reinhaute. Alle mögliche abgefahrene Scheiße löst der bei mir aus, vor allem macht er mich unberechenbar. Nicht mal ich kann vorhersehen, wie sich das auswirkt.
    Wir bogen an Marble Arch ab und natürlich wurde erst mal die Ampel rot. Ein Typ tauchte an der Windschutzscheibe auf und wischte mit einem schmutzigen Lappen drüber. Norton schrie:
    »Diese scheiß Fensterputzer sind überall!«
    Der Typ hier gab sich nicht die geringste Mühe. Zwei Mal schnell drübergewischt, und die Scheibe war voll mit Schmierstreifen. Dann stellte er sich zu mir ans Fenster und meinte:
    »Vier Pfund, Alter.«
    Ich lachte, kurbelte die Scheibe runter und sagte:
    »Such dir lieber ein anderes Betätigungsfeld, mein Freund.«
    Er hatte lange fettige Haare bis zu den Schultern. Sein Gesicht war schmal und der Blick der gleiche, den ich schon hundert Mal im Knast gesehen hatte. Der Blick eines drittklassigen Gauners. Er legte den Kopf in den Nacken und spuckte. Norton meinte:
    »Gott, Allmächtiger.«
    Ich rührte mich nicht, fragte:
    »Hast du ein Montiereisen im Wagen?«
    Norton schüttelte den Kopf:
    »Mitch, um Himmels willen, nein.«
    Ich sagte: »Okay.«
    Und stieg aus.
    Der Typ war überrascht, machte aber keinen Rückzieher. Ich packte seinen Arm und brach ihn über meinem Knie. Stieg wieder in den Transporter, die Ampel sprang um. Norton ließ den Motor aufheulen und schrie:
    »Oh Gott, Mitch, du durchgeknalltes Arschloch. Du bist jetzt ... wie lange ...? Zehn Minuten draußen ... und schon geht’s wieder los. Du kannst nicht einfach so ausflippen.«
    »Ich bin nicht ausgeflippt, Billy.«
    »Dem Kerl den Arm zu brechen nennst du nicht ausgeflippt?«
    »Wäre ich ausgeflippt, hätte ich ihm das Genick gebrochen.«
    Norton warf mir einen ängstlichen Blick zu und sagte:
    »Du machst Witze ... oder?«
    »Wenn du meinst.«

N orton sagte: »Ich glaube, du wirst staunen, was für eine Wohnung ich für dich aufgetrieben hab.«
    »Hauptsache in der Nähe von Brixton.«
    »Clapham Common. Die Gegend ist sehr schick geworden, seitdem du ... weg warst ...«
    »Ach, du Scheiße.«
    »Nein, ist echt okay ... Gehörte jedenfalls einem Schriftsteller, der mit irgendwelchen Geldverleihern Ärger bekam, musste kurzfristig verschwinden. Hat alles da gelassen: Klamotten, Bücher ... bist fertig ausstaffiert.«
    »Steht Joe noch am Oval, vor der U-Bahnstation?«
    »Wer?«
    »Der verkauft die Obdachlosenzeitung, The Big Issue.«
    »Kenn ihn nicht.«
    Wir näherten uns der Station. Ich sagte:
    »Da ist er. Fahr ran.«
    »Mitch ... willst du jetzt ne Zeitung kaufen oder was?«
    Ich stieg aus, ging rüber. Joe hatte sich nicht verändert. Er war abgerissen, dreckig, gutgelaunt.
    Ich sagte: »Hi, Joe.«
    »Mitchell ... meine Güte, hab gehört, dass du gesessen hast.«
    Ich drückte ihm einen Fünfpfundschein in die Hand, sagte:
    »Gib mal ne Zeitung.«
    Von Wechselgeld keine Rede. Er fragte:
    »War’s schlimm da drin, Mitch?«
    »Keine bleibenden Schäden.«
    »Gut, Mann. Hast du was zu rauchen?«
    Ich schenkte ihm das Päckchen Dunhill. Er begutachtete es, sagte:
    »Gediegen.«
    »Für dich nur das Beste, Joe.«
    »Hast die Weltmeisterschaft verpasst.«
    Und noch eine ganze Menge mehr. Ich fragte:
    »Wie war’s?«
    »Gewonnen haben wir nicht.«
    »Ach.«
    »Gibt ja noch Kricket.«
    »Ja, klar, gibt’s auch noch.«
    In drei Jahren Gefängnis verliert man
    Zeit
    Mitgefühl
    Und: Man wundert sich über gar nichts mehr.
    Als ich die Wohnung sah, war ich baff. Das komplette Erdgeschoss eines zweistöckigen Hauses. Wunderschön eingerichtet, sanfte Pastellfarben und die Wände voller Bücher. Norton stand hinter mir und beobachtete, wie ich reagierte.
    Ich sagte: »Ach du Scheiße.«
    »Ja, nicht schlecht, oder? Komm und guck dir den Rest an.«
    Er führte mich ins Schlafzimmer. Doppelbett aus Messing. Er riss den Kleiderschrank
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