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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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nicht böse.«
    Dann auf zur U-Bahn, ich hatte Heroin, eine Knarre und eine halbe Tüte Koks einstecken. Gott, was will man mehr?
    Wieder in der Wohnung, kickte ich die Schuhe von den Füßen, machte ein Bier auf und ließ mich aufs Sofa fallen. Nach einer Weile setzte ich mich auf und zog eine Line, schniefte sie weg. In Nullkommanichts war ich drauf.
    Erstklassiger Stoff.
    Ich hatte Bri die Wahrheit gesagt, was den Drogenfreak in meiner Zelle anging. Er hatte mir erzählt, Heroin sei, als würde man Gott küssen. Sich zu den Sternen schießen.
    Ich hatte beschlossen, es an meinem ersten Abend in Freiheit ein einziges Mal zu versuchen.
    Jeden Abend hatte er aufs Neue seinen ersten Schuss durchlebt. Als würde man sein ganzen Leben in Dunkelheit verbringen und plötzlich ins Licht treten. Man lacht laut auf. Die Nerven fühlen sich an wie Samt und die Haut glüht. Und dann die Energie, als könnte man verdammt noch mal fliegen.
    Natürlich erzählte er mir auch von der Kehrseite. Ich dachte, das würde ich packen.
    Aber nicht heute Abend. Ich hatte ein blödes Gefühl. Ich ging ins Schlafzimmer und verstaute den Stoff unter den Sweatshirts. Die Glock schob ich unter die Matratze. Dank dem Koks war ich hellwach, tigerte durch die Wohnung. Ging ans Bücherregal und nahm James Sallis heraus.
    Poesie.
    Wehmut.
    Sucht.
    Perfekt.
    Nachdem ich meine Strafe zur Hälfte abgesessen hatte, bekam ich Besuch vom Gefängnisgeistlichen. Ich lag auf meiner Pritsche und las. Mein Zellengenosse war bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker. Der Geistliche hatte Manieren, fragte:
    »Darf ich reinkommen?«
    »Sicher.«
    Mir war jede Ablenkung recht. Er setzte sich auf die Pritsche mir gegenüber, überflog meine Bücherreihe. Da gab es
    Philosophie
    Literatur
    Thriller
    Gedichte.
    Er sagte: »Die Auswahl ist ziemlich eklektisch.«
    Ich dachte, er hätte elektrisch gesagt, erwiderte:
    »Dann passen Sie auf, dass Sie keine gewischt kriegen.«
    Er lächelte weise, aufgesetzt, ohne Herzlichkeit und sagte: »Nein - eklektisch , bedeutet wahllos.«
    Das gefiel mir und ich sagte:
    »Das gefällt mir.«
    Er nahm einen Gedichtband, sagte:
    »Rilke, erstaunlich.«
    Ich versuchte mich an eine Zeile zu erinnern, probierte es mit:
    »Vielleicht ist alles Schreckliche im Grunde das Hilflose, das von uns Hilfe will.« Es funktionierte. Er war baff. Ich ging noch weiter, fragte:
    »Glauben Sie, die Insassen hier brauchen Hilfe?«
    Er machte auf fromm und sagte:
    »Die meisten Männer hier sind nicht schlecht, nur ...«
    Aber ihm fiel kein passendes Adjektiv ein. Ich sagte:
    »Sie waren offensichtlich noch nicht beim Futterfassen dabei. Gestern bekam ein Mann wegen seiner Crème Caramel ein Messer in die Fresse.«
    »Wie beklagenswert.«
    »So kann man’s auch nennen.«
    Ich setzte mich auf, drehte eine Kippe, bot auch dem Geistlichen eine an.
    »Nein, aber ich danke Ihnen.«
    Ein bisschen interessierte er mich, ich fragte:
    »Fahren Sie?«
    »Wie bitte?«
    »Fahren Sie Auto. Ich unterhalte mich gerne über Autos.«
    »Nein, ich hab ein Fahrrad.«
    Natürlich.
    Er faltete die Hände über dem Knie, schaltete seinen Gesichtsausdruck auf Mitgefühl und fragte:
    »Gibt es etwas, das Sie stört?«
    Ich lachte laut auf, verwies gestikulierend auf die Welt außerhalb meiner Zelle und antwortete:
    »Raten Sie mal.«
    »Es tut gut, sich jemandem anzuvertrauen.«
    »Nicht so laut, Padre. Solches Gerede kann zu Aufständen führen.«
    Er erhob sich, hatte seine Pflicht getan und sagte:
    »Sie sind ein interessanter Mann. Dürfte ich Sie vielleicht an einem anderen Tag noch einmal besuchen?«
    Ich lag auf meiner Pritsche und sagte: »Meine Tür steht Ihnen jederzeit offen.«
    Natürlich kam er nie wieder.

A m nächsten Morgen hörte ich Capitol Radio, als das Telefon klingelte. Ich nahm ab und sagte:
    »Ja.«
    »Mitch? Hier ist Sarah.«
    »Ah, ja. Haben Sie Ihre Geschichte bekommen?«
    »Nein, aber vielleicht habe ich einen Job für Sie.«
    »Danke.«
    »Nichts zu danken. Ich habe eine Tante in Holland Park. Sie wohnt in einem Riesenhaus, an dem dringend ein paar Reparaturarbeiten fällig sind. Der Haken ist, dass sie eine schwierige Frau ist und kein Handwerker mehr hingehen will. Glauben Sie mir, sie hat schon eine ganze Armee vertrieben.«
    »Warum sollte es mir besser ergehen?«
    Lange Pause, dann:
    »Na ja, einem gutaussehenden Mann vergibt sie alles.«
    »Ach.«
    »Wollen Sie’s probieren? Sie zahlt sehr gut.«
    »Sicher, warum nicht.«
    »Das Haus
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