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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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heißt The Elms. Sie können es nicht verfehlen, gleich am Anfang von Holland Park, die Einfahrt ist beeindruckend.«
    »Ich werd’s finden.«
    »Da bin ich sicher. Kennen Sie sich mit Theater aus?«
    »Überhaupt nicht.«
    »Dann sagt Ihnen Lillian Palmer nichts?«
    »Nie gehört.«
    »Ich glaube, das macht nichts. Aber egal, das ist sie, meine Tante.«
    »Ich freu mich darauf, sie kennenzulernen.«
    »Da wäre ich mir an Ihrer Stelle nicht so sicher. Na ja, viel Glück.«
    Ich beschloss, es drauf ankommen zu lassen, hatte das Gefühl, vielleicht einen Lauf zu haben, fragte: »Hören Sie, Sarah, haben Sie Lust, was trinken zu gehen?«
    »Wohl kaum. Ich gehöre nicht zum Gesamtpaket.«
    Und damit legte sie auf.
    Von wegen Lauf.
    Ich hatte kein Werkzeug, aber ich dachte, irgendwie würde ich es schon hinbekommen. Ich kannte genug Cowboys, von denen ich fast alles borgen konnte.
    Erst mal würde ich hingehen und mir das Haus ansehen, feststellen, was ich brauchte. Für einen Handwerker war lässige Freizeitkleidung wahrscheinlich am besten. Sweatshirt und Jeans müssten hinhauen.
    Als ich zur U-Bahn ging, dachte ich: »Ich habe ein Zuhause, Klamotten, Jobangebote und dabei bin ich erst seit vierundzwanzig Stunden raus.«
    Die Knastbrüder mussten was falsch verstanden haben; in Wirklichkeit war das Leben draußen ein Kinderspiel.
    Bei den Anonymen Alkoholikern wird immer von HM gesprochen. Das bedeutet Höhere Macht. Auf der Straße spricht man ebenfalls von HM ... da heißt es heimatloser Mensch. Was die beiden verbindet, ist der Alk. Alkoholiker müssen die Finger davon lassen, Obdachlose brauchen ihn, um zu überleben.
    Keine Ahnung, wie ich darauf gekommen war. Zu den Nachwirkungen eines Knastaufenthalts gehört, dass man sich dauernd in Gedanken verliert.
    Wie auch immer, als ich hochschreckte, war ich bereits kurz vor Holland Park. Ich stieg Notting Hill aus der U-Bahn und lief den Rest. Fand The Elms, kein Problem. Wie Sarah gesagt hatte, die Einfahrt war riesig. Ich spazierte hinein, betrachtete die Bäume, die den Weg säumten.
    Dann das Haus und murmelte - »Wow.«
    Es war ein Palast, keine andere Bezeichnung wäre treffender gewesen.
    Alles daran schrie:
    WOHLSTAND.
    Ich ging zur Tür, sie war aus massiver Eiche. Aus der Nähe wirkte das Haus heruntergekommen, fast schäbig. Hier gab es jede Menge Arbeit. Ich hob den schweren Türklopfer und klopfte.
    Die Tür ging auf. Vor mir stand ein Butler in vollem Ornat. Ich konnte es kaum fassen. Ich hatte gedacht, sämtliche Butler wären nach Kalifornien ausgewandert oder hätten sich in die Sitcoms verzogen oder beides. Er war klein und stämmig. Wie Oddjob aus Goldfinger. Ich war sprachlos.
    Er fragte:
    »Ja?«
    Ich nannte meinen Namen, erwähnte Sarah und rechnete mit einem Rausschmiss.
    Er sagte: »Madame erwartet Sie bereits. Bitte hier entlang.«
    Ich folgte ihm.
    In eine riesige Empfangshalle. Er hätte mir meinen Mantel abgenommen, hätte ich einen gehabt. Führte mich in einen Salon und sagte:
    »Madame wird gleich bei Ihnen sein.«
    Dann verpisste er sich.
    Der Raum war riesig, bestückt mit Möbeln aus der Regency-Epoche. Das weiß ich, weil sie aussahen, als hätte nie jemand drauf gesessen. Hunderte gerahmte Fotos zeigten allesamt eine blonde Frau. Eine entspannte Variante von Lauren Bacall, aber genauso zickig. Ein riesiges Porträt über dem Kamin. Wieder die Blondine. An den Wänden hingen gerahmte Poster von Lillian Palmer in Endstation Sehnsucht , Süßer Vogel Jugend , Begierde unter Ulmen .
    So was halt.
    Trotz der teuren Rahmen wirkten sie alt. Schwere Vorhänge verdeckten die Fenster und ich beschloss, ein bisschen Licht hereinzulassen.
    Ich zog die Vorhänge zurück und legte die Erkerfenster frei. Hinter dem Haus lag ein überwucherter Garten. Ohne nachzudenken, drehte ich mir eine Zigarette. Zündete sie an. Ich starrte aus dem Fenster, als mich ein Schrei derart erschreckte, dass ich fast durch die Scheibe gesprungen wäre.
    »MACHEN SIE DIE ZIGARETTE AUS!«
    Ich drehte mich um. Eine Frau rauschte an mir vorbei, brüllte:
    »Wie können Sie es wagen, die Vorhänge zurückzuziehen? Das Licht wird die Plakate zerstören!«
    Während sie die Fenster wieder verdunkelte, betrachtete ich sie. Sie trug ein langes schwarzes Kleid. Lange blonde Haare fielen ihr über den Rücken. Dann drehte sie sich um.
    Nein, absolut nicht Bacall. Eher die Frau von John Cassavettes, die aus Gloria .
    Ich bin schlecht im Schätzen, aber ich denke, sie war
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