Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zukunftsmacher

Die Zukunftsmacher

Titel: Die Zukunftsmacher
Autoren: Peter Haining
Vom Netzwerk:
 
ABREAKTION
 
von Theodore Sturgeon
     
    Ich saß hinter dem Armaturenbrett der großen D-8-Planierraupe und versuchte, mich zu erinnern. Der Übergangsstreifen der Rollbahn, die auf einem Salzfeld angelegt war, dehnte sich vor mir aus. In einiger Entfernung befanden sich die Tankstelle und die Abschmieranlage. Daneben ragte skelettartig die provisorische Wetterstation mit ihrem Geschwindigkeitsmesser, ihrer Wetterfahne und ihrem Luftsack auf. Alles schien völlig normal. Aber da war doch noch etwas anderes ...
    Ich konnte mich an Menschen erinnern, wunderschöne Menschen in schimmernden, fließenden Gewändern. Ich entsann mich ihrer so deutlich, als hätte ich sie erst vor einer Minute gesehen. Die Erinnerung an Gesichter war nah, ganz nah. Das Gesicht eines goldenen Mädchens; Augen, Haut und Haar in drei verschiedenen Goldtönen.
    Ich schüttelte den Kopf so heftig, daß er schmerzte. Ich war ein Planierraupenfahrer. Was war meine Aufgabe? Ich schaute mich um, sah den Kies hinter mir und die nackte Erde vor mir. Da wußte ich, daß ich Kies mit der Maschine plattwalzen sollte. Doch ich schien zu ... zu ... ohne den Anblick der halb beendeten Arbeit um mich herum würde ich nicht gewußt haben, wofür ich eigentlich überhaupt da war!
    Ich wußte, wo ich jenes Mädchen, jene Menschen gesehen hatte. Ich glaubte zu wissen ... doch der Gedanke war so weit weg, daß ich ihn nicht erfassen konnte. Mein Geist streckte tastende Ranken aus, um das Wissen über jenen Platz zu erfassen, der so bestimmt da war, und das Wissen wich zurück, so daß sich die Ranken in die Länge zogen, dünn wurden und rissen ... und mein Kopf schmerzte davon.
    Ein großer Kipplaster kam herangepoltert. Die riesigen Antriebsräder warfen große Dreckklumpen hoch in die Luft. Der Fahrer war Portorikaner. Ein stämmiger Bursche mittleren Alters. Ich kannte ihn gut. Oder etwa nicht? Er streckte die Handfläche nach oben und signalisierte mir damit: »Wohin willst du's haben?« Ich deutete vage nach rechts, zu dem Kiesstreifen hin. Er wirbelte mit einer Hand das Lenkrad herum, legte die andere auf den Schalthebel, der sich an der Lenksäule befand und wandte den Blick nicht von mir ab. Als die Räder seines Lasters das Kiesfeld berührten, schaltete er einen Hebel, und der Boden des Kipplasters neigte sich und schüttete einen Kieswall von neun Meter Länge und dreißig Zentimeter Höhe auf.
    Der Fahrer winkte mir zu und fuhr davon. Der Dieselmotor heulte auf, als der Fuß des Fahrers ausrutschte und auf das Gaspedal trat.
    Ich winkte dem Mann auch zu. Wie hieß er noch gleich? Ich kannte ihn doch wohl? Er kannte mich offensichtlich, sonst hätte er mir nicht so zugewinkt. Sein Name – war es Paco? Cruz? Eulalio? Verdammt noch mal, und ich wußte ihn doch genauso gut wie meinen eigenen ...
    Aber ich wußte ja meinen eigenen Namen gar nicht!
    Zum Teufel, ich bin verrückt! Ich habe Angst. Ich bin verrückt vor Angst. Was ist bloß mit meinem Kopf geschehen? Alles drehte sich rasend schnell um mich, und plötzlich erinnerte ich mich ohne Schwierigkeiten an die Leute in den glänzenden Kleidern. Als mein Geist sich mit diesem Bild beschäftigen wollte, löste es sich wieder auf, und es war überhaupt nichts mehr da.
     
    Während meiner Schulzeit fiel ich einmal vom Stufenbarren und wurde ohnmächtig. Als ich dann wieder zu mir kam, fühlte ich mich genauso wie jetzt. Ich konnte alles sehen, fühlen, riechen und schmecken. Aber ich konnte mich an nichts mehr erinnern. Ich fragte, was passiert war, und sie erzählten es mir. Und fünf Minuten später fragte ich schon wieder. Sie fragten mich nach meiner Adresse, um mich nach Hause zu bringen. Doch ich konnte mich nicht daran erinnern. Sie fanden die Adresse in den Schulunterlagen und brachten mich heim. Meine Füße fanden den Weg ins Haus und die vier Treppen hinauf zu unserer Wohnung. Ich wußte nicht, wohin. Aber meine Füße wußten es. Ich wollte meiner Mutter erklären, was mit mir los war. Doch ich wußte es nicht mehr. Sie steckte mich ins Bett, und nach vier Stunden wachte ich wieder auf und war vollkommen normal.
    Hier auf der Planierraupe schaffte ich es zuerst nicht, meine Angst zu überwinden. Schließlich gewöhnte ich mich etwas an den Zustand und fing an nachzudenken. Ich versuchte mich an alles zu erinnern, aber das war zu schwer. Also versuchte ich, wenigstens etwas zu finden, an das ich mich erinnern konnte. Ich saß ruhig da und machte meinen Kopf ganz leer. Ziemlich greifbar
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher