Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
1
    Der Hai war alles andere als ein Monstrum.
    Er war kaum einen Meter lang, doch seine toten Augen wirkten immer noch bedrohlich, und er hatte reichlich nadelspitze Zähne im Kiefer, der für die beiden Männer mit den blutigen Händen eine schöne Trophäe abgeben würde.
    Die Männer auf dem Kai waren Weiße: nackte Oberkörper, sonnenverbrannt, fett- und muskelbepackt. Der eine hielt den Hai bei den Kiemenschlitzen und der andere war mit seinem Messer am Werk. Schleim floss aus dem Kadaver auf die grauen Planken.
    Robin hatte am Bug gesessen, während die Madeleine in den Hafen einlief, doch als sie das Schlachtfest sah, wandte sie sich ab.
    Ich hielt Spike an der Leine. Spike ist unsere französische Bulldogge, ein 28-pfündiges, fledermausohriges, schwarz geschecktes Muskelpaket mit einer so platten Nase, dass er in jeder Pfütze ersaufen könnte. Als Welpen hatte man ihm deshalb beigebracht, Wasser zu meiden, und nun verabscheute er es. Robin und ich hatten größte Bedenken wegen der sechsstündigen Überfahrt von Saipan, doch dann gewöhnte sich Spike schneller daran als wir. Nachdem er das Teakdeck der alten Yacht erkundet hatte, war er bald eingeschlafen und hatte sich die freundliche Pazifiksonne auf den Pelz scheinen lassen.
    Sein Wohlergehen auf der Reise war unsere Hauptsorge gewesen. Die sechs Stunden in einem Käfig im Gepäckraum auf dem Flug von L. A. nach Honolulu hatten ihm ziemlich zugesetzt, doch nach einigem guten Zureden und einem Hackbraten hatte er sich bald erholt. Und das Appartement, wo wir für dreißig Stunden Rast machten, schien ihm auch zu behagen. Danach ging es weiter nach Guam, fast acht Stunden Flug, und dann folgte eine Stunde in einer Abflughalle, Schulter an Schulter mit Soldaten, Seeleuten und Beamten in Safarijacken. Im Anschluss waren es noch vierzig Minuten nach Saipan. Dort hatte uns Alwyn Brady in Empfang genommen, für die letzte Etappe, die uns mit der üblichen Fracht, die Brady alle zwei Monate beförderte, nach Aruk brachte.
    Brady hatte das 25-Meter-Boot sicher durch die Riffe in den Hafen manövriert und nun klopfte es mit seinen Gummipuffern sanft an den Pier. Das Tiefblau des Wassers ging, wo es auf den sahnig weißen Strand plätscherte, in ein silbriges Grün über - das Cadillacgrün der fünfziger Jahre. Von oben sahen die Riffe aus wie Kohlehaufen, umschwärmt von kleinen, in allen Farben funkelnden Fischen. Hinter dem menschenleeren Strand standen einzelne Palmen und der Sand war mit Kokosnussschalen besprenkelt.
    Noch ein sanfter Stoß und Brady schaltete den Motor ab. Ich blickte über den Kai hinweg zu den schwarzen Gipfeln, die sich in der Ferne erhoben: Vulkangebirge, das von der Geschichte der Insel zeugte. Näher am Wasser überragten sanfte, braune Hügel kleine, gekalkte Häuser und enge Straßen, die sich die Hänge hochschlängelten. Richtung Norden war ein Industriegebiet zu sehen, ein paar Schindelbaracken und eine Autowerkstatt mit einer einsamen Tanksäule. Blechdächer funkelten in der Sonne. Das einzige Ladenschild, das ich entdecken konnte, warb für TANTE MAE'S. Über dem Schild hing eine klapprige Satellitenschüssel.
    Einer von Bradys Seeleuten, ein magerer, schwarzhaariger Junge, machte das Boot fest und Robin sagte: »Da wären wir also.«
    Ein paar Sekunden später rief Brady der Mannschaft zu, mit dem Abladen zu beginnen. Dann schob er sich die Mütze aus der Stirn und kam zu uns. Er war um die fünfzig und sein Gesicht war fast so platt wie das von Spike. Er war sehr stolz auf seine halb irische, halb pazifische Abstammung und erinnerte mich mit seiner Geschwätzigkeit an die Discjockeys, die die Nachtprogramme daheim in L. A. bevölkerten. Mehrmals auf der Reise hatte er das Steuerrad einem seiner Leute überlassen, um uns über Yeats, Joyce, Vitamine, Navigation ohne Instrumente, Sportfischerei, die wahre Tiefe des Marianengrabens, die Weltpolitik und die Geschichte der Insel zu belehren. Und über Dr. Moreland.
    »Ein echter Heiliger. Er hat dafür gesorgt, dass die Insel sauberes Trinkwasser hat und dass die Kinder geimpft wurden; genau wie dieser Deutsche, Albert Schweitzer, nur dass Dr. Bill keine Orgel spielt oder sonst einen Quatsch. Dafür hat er keine Zeit, nur für seine Arbeit.«
    Brady streckte sich und grinste in die Sonne, wobei er die paar gelben Zähne zur Schau stellte, die er noch im Mund hatte.
    »Fantastisch, nicht wahr? Ein Himmel wie Gottes Geschenkpapier - hey, Orson, Vorsicht! Zerbrechlich! Zuerst die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher