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London Boulevard - Kriminalroman

London Boulevard - Kriminalroman

Titel: London Boulevard - Kriminalroman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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sollte ich jemals flüssig sein, würde ich Schuhe kaufen. Nicht irgendwelche, sondern Weejun. Der Verkäufer war besser angezogen als der Leiter meiner Bankfiliale. Aber derselbe hochnäsige Blick. Er sagte:
    »Womit darf ich Ihnen behilflich sein, Sir?«
    »Sie könnten aufhören, so kariert zu reden.«
    Wo lernen die den Scheiß? Gibt es eine Schule, wo man denen Sarkasmus und Arroganz eintrichtert? Ich sagte:
    »Weejuns, Größe 44, hellbraun ... kapiert?«
    Kapiert.
    Ich zog sie an und befand mich im Schuhhimmel.
    »Findet der Herr das Modell zufriedenstellend.«
    »Wunderbar. Ich hätte gerne noch zwei Paar in schwarz und dunkelbraun.«
    Die Rechnung war so hoch, dass man erst mal schlucken musste. Ich schluckte. Mr. Hochnäsig fragte:
    »Bar oder Karte?«
    Ich legte ein dickes Bündel hin, sagte:
    »Dreimal dürfen Sie raten.«
    Dann kam er mit der Nummer von wegen:
    »Die Schuhe benötigen sorgfältige Pflege.«
    Er fing an, Tuben auf dem Tresen aufzureihen, ich sagte:
    »Nee.«
    »Sir?«
    »Geht nichts über einen Lappen und ein bisschen Spucke.«
    »Wie der Herr wünschen.«
    Ich nahm meine Tüten, sagte:
    »Ich werde Sie vermissen, alter Freund.«
    Er erwiderte nichts.
    Wer shoppen geht, braucht einen Boxenstopp. Designer-Kaffee ist Pflicht. Mir war danach.
    Die Seattle Coffee Company. Dort gab es Kaffee auf jede nur erdenkliche Art. Ich bestellte einen Latte. Man trägt die Nase automatisch höher, wenn man so was nur ausspricht. Die Bedienung hinter dem Tresen war scheißfreundlich. Auf ihrem Namensschild stand DEBI. Sie fragte:
    »Hätten Sie den Kaffee gerne mit Schuss, Sir?«
    »Klar, kippen Sie einen doppelten Scotch rein.«
    Sie lächelte nachsichtig, sagte:
    »Wir haben
    Vanille
    Schwarze Johannisbeere
    Ahornsirup.«
    »Na, lassen Sie mal, Debi, nur das Koffein.«
    Pflanzte mich aufs Sofa und schnappte eine Zeitung. Der Latte schmeckte nach Schaum und Luft. Ich las einen Artikel über »Hesher« - Dreizehnjährige, die auf Heavy Metal stehen - und »Tweaker« - Fünfzehnjährige auf Crystal Meth, auch bekannt als Crank oder Speed. An den Wochenenden zogen sie mit ihren Gangs los:
    »Endlos geistern sie durch die Einkaufszentren und Spielhallen.«
    Sie kiffen
    saufen
    feiern
    prügeln sich.
    Alles, um der Langeweile zu entfliehen.
    Abwechslung bieten nur
    Knastaufenthalte
    Abtreibungen
    Selbstmorde.
    Ich legte die Zeitung weg. Die Bedienung kam zu mir, fragte:
    »Möchten Sie eine Treuekarte?«
    »Was?«
    »Jedes Mal, wenn Sie einen Kaffee bei uns trinken, stempeln wir Ihre Karte ab, und wenn Sie zehn Stempel haben, bekommen Sie einen Kaffee umsonst.«
    »Mit Treue hab ich nichts am Hut.«
    »Entschuldigung, wie bitte?«
    »Nehmen Sie’s mir nicht übel, Debi, aber Sie sind viel zu jung, um mir was auf die Karte zu stempeln.«
    Draußen fragte mich ein Typ, ob ich Dope kaufen wollte. Ich sah mich um. Niemand schien sich darum zu scheren, dass er seinen Geschäften am helllichten Tage nachging. Ich fragte:
    »Haben Sie auch Treuekarten?«
    Als ich bei Aisling eintraf, hatte ich Herzklopfen. Sie machte die Tür auf, und ich sagte:
    »Wow!«
    Sie trug so ein Etuikleid. Sah aus wie ein eingelaufener Kissenbezug. Mein Blick fiel auf ihr Dekolleté. Sie sagte:
    »Wonderbra wirkt Wunder.«
    Wie hätte ich da nicht sagen sollen:
    »Wunderbar.«
    Drinnen küssten wir uns, bis sie mich wegschob und sagte:
    »Puh ... mir brennt gleich das Essen an.«
    »Mir auch.«
    Sie holte eine Flasche Jameson, erklärte:
    »Jetzt geht’s irisch los. Hättest du ihn gerne heiß?«
    »Dazu fällt mir nichts mehr ein.«
    Ich gab ihr das Buch, das ich von Chris bekommen hatte, sagte:
    »Ich musste halb London absuchen, um einen Autor aus Galway zu finden.«
    Sie stieß einen Freudenschrei aus:
    »Kevin Whelan! Den liebe ich!«
    Ich sagte: »Und ...«
    Zeigte ihr das Kästchen. Sie nahm es langsam, öffnete es vorsichtig, quiekte:
    »Ach, du lieber Gott!«
    Er passte.
    Der Geruch von gutem Essen drang aus der Küche. Ich betrachtete ein gerahmtes Gedicht an der Wand. Es war von Jeff O’Connell.
    Es lautete:
    Schiffbruch erleidend,
    Wartete er auf den Moment,
    In dem sich ein Gefühl in sein Gegenteil verkehrt,
    als ob sich darin die Erklärung finden ließe,
    für seinen herzlosen Umgang mit ihr.
    Ich fand’s irgendwie unheimlich. Als hätte mir gerade jemand aus der Hand gelesen.
    Aisling fragte:
    »Was meinst du?«
    »Puh.«
    »Und das heißt?«
    Ich meinte, oder glaubte zu meinen, dass es mir kalt den Rücken
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