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Lauf, so weit du Kannst!

Lauf, so weit du Kannst!

Titel: Lauf, so weit du Kannst!
Autoren: Tim Bowler
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aufgelegt?«
    Ich weiß auch nicht, warum, Bigeyes.
    Nach einem kurzen Schweigen spricht sie wieder.
    Â»Warum hast du mich angerufen?«
    Â»Sie haben mir gesagt, wo ich Sie erreichen kann. Sie haben mir versprochen, dass Sie mir zuhören. Auch wenn Sie mir nicht helfen können.«
    Â»Ich höre dir zu.«
    Nur dass ich jetzt nicht sprechen kann, Bigeyes. Ich kann nichts sagen. Ich weiß eh nicht, was ich Mary eigentlich erzählen wollte. Vielleicht wollte ich ihr nur sagen … Ich weiß nicht … dass ich nicht durch und durch böse bin.
    Aber vielleicht bin ich das doch. Vielleicht bekomme ich deshalb kein Wort raus.
    Â»Blade«, sagt sie. »Du musst dich stellen. Hörst du? Du musst dich dem Gesetz stellen, und dir selbst.«
    Â»Ich habe zu viel getan.« Ich sehe die Schatten näher kommen. »Zu viele schlimme Sachen.«
    Â»Dann musst du aufhören, davonzurennen. Das bringt nichts in Ordnung. Du hast mich angerufen, weil du dich schlecht fühlst. Weil du ein Gewissen hast. Das ist gut. Das spricht für dich. Deshalb mach nun den nächsten richtigen Schritt. Geh zur Polizei. Erzähle denen alles, was du getan hast, und übernehme die Verantwortung dafür.«
    Weitere Schatten. Zu viele, um sie zu zählen. Sie sind überall um mich rum. Eine Mauer aus Feinden, die vor nichts zurückschrecken.
    Mary spricht wieder.
    Â»Zwei Vermutungen von dir stimmten.«
    Ich antworte nicht. Ich beobachte die Schatten, die langsam vorrücken.
    Â»Das war nicht mein Bungalow«, fährt sie fort. »Er gehört einer Familie, die ich in den Urlaub aufbrechen sah. Ich war gerade angekommen und brauchte dringend eine Bleibe. Ein sicheres Versteck. Ich sah, wie die Familie einen Bus zum Flughafen nahm, und schrieb ihre Adresse von einem Kofferanhänger ab. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich einfach ihren Bungalow benutzte. Aber ich sah mich dazu gezwungen. Weil die andere Vermutung von dir auch richtig war.«
    Â»Sie sind auf der Flucht.«
    Â»Ja, aber nicht vor der Polizei. Vor anderen Leuten. Ich kam in diese Stadt, um jemanden zu suchen. Mehr sage ich nicht dazu. Nur, dass ich keine Kriminelle bin. Deshalb bin ich auch keine Heuchlerin, wenn ich dir dringend rate, dich der Polizei zu stellen.«
    Â»Dafür ist es zu spät.«
    Â»Aber nein. Ruf dort an. Jetzt gleich.«
    Â»Der einzige Mensch, den ich je anrufen wollte, sind Sie.«
    Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Es klingt idiotisch. Die Schatten kommen immer näher.
    Â»Du wirst mich nicht mehr lange anrufen können«, sagt Mary.
    Â»Warum nicht? Gehen Sie fort?«
    Â»Sozusagen.«
    Â»Was soll das heißen?«
    Sie ist einen Augenblick still. Dann spricht sie wieder. Ihre Stimme klingt so sanft, so irisch, so schön.
    Â»Mit anderen Worten … der Arzt gab mir drei Wochen, und das war vor vier Wochen.«
    Es piepst im Telefon. Ich werfe schnell noch eine Münze ein.
    Â»Blade«, sagt sie. »Geh zur Polizei. Bitte. Tu das Richtige. Tu es für mich. Tu es für dich selbst.«
    Plötzlich ist die Verbindung weg. Mary hat aufgelegt. Ich stoße die Tür auf und trete auf die Straße raus. Sie ist nun voller dunkler Gestalten. Keine Taschenlampen, keine Gesichter. Nur Abschaum, der auf mich zukommt.
    Und dann höre ich es.
    Das Dröhnen des Motors. Ein Lichtstrahl erfasst mich. Ich starre die Straße runter, an den bedrohlich nahen Gestalten vorbei, und da ist das Motorrad. Es ist mächtig groß und laut, ein Monster von einer Maschine. Ich sehe den vornübergebeugten Fahrer. Sein Helm glänzt im Dunkeln.
    Das Motorrad nähert sich röhrend der Mauer aus Feinden. Sie drehen sich um und bleiben breitbeinig stehen, aber es scheucht sie auseinander, als es ihre Mauer durchbricht. Und nun rast es direkt auf mich zu. Ich mache einen Satz rückwärts und presse mich gegen die Telefonzelle. Die Schatten bewegen sich wieder vorwärts, aber ich beobachte das Motorrad.
    Es hält mit quietschenden Bremsen neben mir an.
    Â»Steig auf!«, ruft der Fahrer.
    Ein Mann mit einer heiseren Stimme. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber das ist mir egal. Im nächsten Augenblick sitze ich auf dem Motorrad und klammere mich fest, weil er bereits wieder Gas gibt. Nun kommen meine Verfolger von allen Seiten angerannt. Ich halte mich weiter fest und sehe, wie sie sich drohend vor uns auf der Fahrbahn aufbauen.
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