Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lauf, so weit du Kannst!

Lauf, so weit du Kannst!

Titel: Lauf, so weit du Kannst!
Autoren: Tim Bowler
Vom Netzwerk:
alles in Ordnung ist. Denn als ich sie das letzte Mal sah, hatte sie eine Heidenangst vor mir. Doch jetzt ist es andersherum. Ich habe Angst vor ihr. Vor einem dreijährigen Mädchen. Ich kriege ein paar Worte raus.
    Â»Jaz, ich bin’s, Baby.«
    Sie kommt langsam auf mich zu und sieht mir dabei weiter ins Gesicht. Plötzlich merke ich, dass ich das Messer in der Hand halte, mit ausgeklappter Klinge. Es ist schon die ganze Zeit in meiner Hand und auf Jaz gerichtet. Aber das scheint sie nicht zu kümmern. Sie kommt einfach her.
    Â»Ich bin’s, Baby«, sage ich noch mal.
    Sie bleibt stehen, knapp außer Reichweite. Ich lasse das Messer sinken und zu Boden fallen. Sie wirft einen kurzen Blick darauf, dann sieht sie wieder mich an. Sie sagt nichts. Ich möchte, dass sie spricht, Bigeyes. Ich wünsche mir so sehr, dass sie spricht. Ich will, dass sie mir sagt, dass alles in Ordnung ist.
    Â»Ich werde dich nie wieder erschrecken«, flüstere ich.
    Eine Stimme ruft nach ihr, von irgendwo neben der Kirche. Es ist eine Männerstimme.
    Â»Jaz!«
    Sie sieht mir noch einen Moment in die Augen, dann dreht sie sich um und läuft zur Ecke der Kirche zurück. Der Kerl ruft wieder nach ihr. Er ist inzwischen näher.
    Â»Jaz!«
    Sie erreicht die Ecke, bleibt stehen und blickt zurück. Ich wische mir mit der Hand über die Augen. Sie verschwindet um die Ecke. Jetzt höre ich weitere Stimmen aus dem Kirchhof. Ein paar der Tussis.
    Â»Wo bist du gewesen, Jaz?«
    Â»Wir haben dich aus den Augen verloren.«
    Â»Lauf nicht mehr weg, okay?«
    Keine Antwort von der Kleinen.
    Ich rappele mich hoch, schleiche die Rückwand entlang und spähe um die Ecke. Sechs Gestalten entfernen sich. Jaz, Sash, Tammy, Xen, Kat und der Typ. Ich erkenne ihn sofort.
    Riff.
    Der Schleimer. Der Kerl, der uns damals gefolgt ist und uns an Paddy und seine Kumpels verpfiffen hat. Plötzlich dreht er sich um. Ich rühre mich nicht. Es wäre gefährlicher, jetzt zurückzuzucken. Ich halte ganz still. Er blickt rüber, als würde er sich fragen, wo die Kleine gewesen ist. Er weiß, dass sie hinter die Kirche gelaufen ist.
    Ich glaube nicht, dass er mich entdeckt hat. Aber ich sehe ihn gut. Er wirkt so schmierig wie immer. Ich schätze, dass er und die Tussis in dem Van gesessen haben. Und ich sage dir noch was, Bigeyes. Sie waren auf der Suche nach mir und das sind sie immer noch.
    Keine Spur von Bex. Vielleicht haben sie sie umgebracht. Aber sie haben immer noch die Kleine. Schau sie dir an, Bigeyes. Sie ist wie eine kleine Blume. Schönheit inmitten von Abschaum. Wenn diese Bande ihr was tut, bringe ich alle um. Und wenn es das Letzte ist, was ich in meinem Leben tue.
    Riff schaut immer noch in meine Richtung. Ich frage mich langsam, ob er mich doch entdeckt hat. Aber dann dreht Sash sich um und ruft: »Komm endlich, Riff!«
    Und er folgt den Tussis wie ein braver Junge. Er ist immer ein Feigling gewesen. Ich sehe ihnen nach und behalte Jaz im Auge, so lange ich kann. Aber dann sind sie weg. Ich ziehe mich dorthin zurück, wo ich war, und lasse mich wieder zu Boden sinken.
    Und nun kommen mir wieder die Tränen. Ich werde Jaz nicht wiedersehen. Meine Feinde und diese Mädchenbande machen mir Angst, aber die Kleine schafft mich. Frag mich nicht, warum. Sie ist nicht mein Kind. Sie ist nicht mal das Kind von Bex.
    Sie ist das Kind der toten Trixi. Und irgendeines nichtsnutzigen Vaters, der sich abgesetzt hat. Sie hat niemanden. Nur die Tussis und Riff und weiß der Himmel wen noch. Ich kann ihr nicht helfen. Und sie kann mir nicht helfen.
    Aber ich muss ständig an sie denken.
    Das bringt nichts. Ich muss sie aus meinem Kopf verbannen. Ich muss an mich denken und schauen, dass ich wegkomme. Ich habe es schon so weit geschafft und mein Ziel ist nah. Gut drei Kilometer von hier ist eine Autobahnraststätte. Ich muss nur hinkommen, auf dem Parkplatz einen geeigneten Lastwagen finden und mich hinten reinschmuggeln.
    Und nach Norden fahren. Oder nach Süden. Oder sonst wohin. Ich kann es schaffen, Bigeyes. Ich kann von hier verschwinden. Ich muss nur aufpassen, dass mich niemand sieht, und zur Autobahnraststätte kommen. Also warum denke ich immer noch an Jaz?
    Warum tue ich das, Bigeyes?
    Ich will nicht an Jaz denken, und auch nicht an Bex oder die liebe Becky oder dich oder sonst wen. Ich will nur an mich denken, okay? Das Problem ist, dass ich nicht mal das kann. Nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher