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Lauf, so weit du Kannst!

Lauf, so weit du Kannst!

Titel: Lauf, so weit du Kannst!
Autoren: Tim Bowler
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der Brücke stehen und schaue mich um. Alles ist ruhig und still. Abgesehen von …
    Horch mal, Bigeyes.
    Vogelgezwitscher.
    Ich habe gesagt, in der Stadt würden keine Vögel singen. Aber jetzt höre ich einen. Du auch? Das ist eine Amsel. Ganz eindeutig. Eine schwarze Schönheit. Und sie klingt so fröhlich. Als wäre alles gut und so, wie es sein sollte.
    Warum heule ich dann wieder, Bigeyes? Kannst du mir das sagen?
    Vielleicht weil ich tief im Innern weiß, dass es nicht funktionieren wird. Ich werde nie frei sein, nicht wirklich. Denn selbst wenn ich aus der Stadt rauskomme, wenn ich alle Orte hinter mir lasse, wo ich je war, bleibe ich der, der ich bin.
    Ich werde nie so frei sein wie diese Amsel.
    Aber ich muss trotzdem weg, Bigeyes, ob ich will oder nicht.
    Ich muss trotzdem weg.
    Runter in den Graben und unter die Brücke. Ich setze mich auf einen Stein, hole die Äpfel, die Orangen und den Kuchen raus und wische mir die Augen. Das wär’s fürs Erste, Bigeyes. Mehr können wir jetzt nicht tun. Wir bleiben hier hocken. Wir essen, ruhen uns aus und warten.
    Und wenn es dunkel wird, verschwinden wir.
    Aber so einfach ist es nicht, stimmt’s? Es ist nie so einfach. Ehrlich gesagt, bin ich nicht einmal überrascht. Ich hab’s mir fast gedacht. Es ist dunkel geworden. Und mit der Dunkelheit kam ein Licht.
    Und eine Menge neuer Ängste.
    Stell dich auf die Brücke und schau die Straße runter, Bigeyes. Nicht zur Autobahn rüber, sondern in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Dorthin, wo sie auf die Hauptstraße aus der Stadt trifft. Dann folge der Hauptstraße einen halben Kilometer nach links.
    Siehst du das Licht?
    Das einzelne Licht?
    Gerade ist es ausgegangen. Wahrscheinlich hast du es nicht mehr gesehen. Aber ich schon. Und ich weiß, was für ein Licht das war. Das war der Scheinwerfer eines Motorrads. Und ich sage dir noch was. Wer da auch draufsitzt, er weiß, wo wir sind.
    Und das bedeutet, dass andere Leute es auch wissen.
    Du denkst, das ist nur ein Motorrad. Da könnte sonst wer draufsitzen. Das hat nichts mit uns zu tun. Aber du irrst dich. Das sind Feinde. Und es werden noch viel mehr kommen. Diesmal werden sie nichts riskieren. Und sie werden nicht nur da drüben sein, sondern überall um uns rum. Sie werden einen ganz großen Kreis bilden und ihn immer enger ziehen.
    Ich kann sie noch nicht sehen. Es ist zu dunkel. Keine Sterne und kein Mond heute Nacht. Das macht es uns schwer. Denen zwar auch, aber sie haben es leichter als wir, weil sie so viele sind. Sie werden den Kreis bis zur Autobahn und um die Wiesen ausdehnen und sich dann langsam aus allen Richtungen nähern.
    Wir werden sie erst in der letzten Minute sehen.
    Vielleicht hat Riff ihnen einen Tipp gegeben, wie das letzte Mal. Ja, wahrscheinlich hat er mich wieder verpfiffen. Er hat mich wohl doch entdeckt, als ich Jaz um die Ecke der Kirche herum nachgeschaut habe. Er hat so getan, als hätte er nichts gesehen und ist weggefahren. Dann hat er sie angerufen und ihnen gesteckt, wo ich bin. Und jetzt lassen sie sich Zeit. Aber sie sind alle auf ihrem Posten. Wahrscheinlich haben sie bereits angefangen, die Umgebung zu durchkämmen.
    Es ist zum Verzweifeln.
    Los, komm, Bigeyes. Hier können wir nicht bleiben.
    Wir laufen die Straße runter. Ja, ich weiß. Du denkst, in der Wiese wären wir geschützter. Aber die würde uns jetzt nicht genug Deckung bieten. Glaub mir. Die Wiese ist nur eine große, offene Fläche.
    Die Straße ist allerdings auch nicht viel besser.
    Aber gleich da vorn kommt ein kleines Dorf. Es besteht nur aus ein paar Häusern und einem längst geschlossenen Laden. Aber dort ist noch was. Und deswegen will ich da hin. Das wird mir nicht das Leben retten. Aber inzwischen habe ich eh keine Hoffnung mehr, mit dem Leben davonzukommen. Lauf weiter, bleib wachsam. Diesmal können wir ihnen nicht entwischen. Das weiß ich. Aber ich will sie kommen sehen. Ich will ihre Gesichter sehen.
    Immer noch keine Spur von ihnen. Nur die dunkle Straße, die sich dahinwindet. Die Amsel ist auch irgendwo da draußen. Das ist ein tröstlicher Gedanke. Ich frage mich, was sie gerade tut. Ich hoffe, sie hat es sich in einer Baumkrone gemütlich gemacht, um morgen wieder zu singen.
    Da ist wieder das Licht, Bigeyes.
    Hinter dir, siehst du es? Der Scheinwerfer des Motorrads. Es hat sich bewegt, aber es hält sich immer noch im
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