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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac
Autoren: Mary Higgins Clark
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1
    Pat fuhr langsam. Sie blickte sich suchend in den engen
Straßen von Georgetown um. Der Himmel war
wolkenverhangen und dunkel; das Licht der
Straßenlaternen vermischte sich mit dem Schein der
Lampen an den Hauseingängen; eisverkrusteter Schnee
funkelte unter der Weihnachtsbeleuchtung. Die. Szenerie
machte den Eindruck längst vergangener amerikanischer
Beschaulichkeit. Pat bog in die N Street ein, fuhr, immer
noch nach Hausnummern Ausschau haltend, einen
Häuserblock entlang und überquerte die Kreuzung. Das
muß es sein, dachte sie – das Eckhaus. Zuhause, geliebtes
Zuhause.
    Sie blieb eine Zeitlang am Straßenrand im Auto sitzen
und betrachtete das Haus. Es war das einzige in der Straße,
in dem kein Licht brannte, und die Schönheit seiner Linien
war kaum zu erahnen. Die breiten Fenster auf der
Vorderseite waren zur Hälfte hinter Sträuchern verborgen,
die man ganz natürlich hatte wachsen lassen.
    Nach der neun Stunden langen Fahrt von Concord tat ihr
alles weh, jede Bewegung; trotzdem ertappte sie sich
dabei, daß sie den Moment hinauszögerte, in dem sie die
Haustür aufschloß und hineinging. Daran ist dieser
verdammte Anruf schuld, dachte sie. Er ist mir unter die
Haut gegangen.
    Einige Tage bevor sie bei dem Kabelfernsehsender in
Boston ausgeschieden war, hatte die Frau aus der
Telefonzentrale bei ihr angerufen. »Da ist irgend so ein
Spinner in der Leitung, der Sie unbedingt sprechen will.
Wollen Sie, daß ich mithöre?«
    »Ja.« Sie hatte den Hörer abgehoben, sich gemeldet und
eine sanfte, aber eindeutig männliche Stimme hatte mit
gedämpfter Lautstärke gesagt: »Patricia Traymore, Sie
sollten lieber nicht nach Washington kommen. Lassen Sie
es lieber bleiben, eine Sendung zu produzieren, in der
Senatorin Jennings groß herausgestellt wird. Und ziehen
Sie lieber nicht in dieses Haus.«
    Sie hatte die Frau von der Zentrale stöhnen hören.
»Wer spricht denn da?« hatte sie scharf gefragt.
Bei der mit der gleichen Anzüglichkeit wie vorher
    hingenuschelten Antwort waren ihr die Hände
unangenehm feucht geworden. »Ich bin ein Engel der
Barmherzigkeit, der Erlösung – und der Rache.«
    Pat hatte versucht, das Ganze als einen jener verrückten
Anrufe abzutun, wie sie bei Fernsehsendern häufiger
vorkommen, war aber gegen ihren Willen doch
beunruhigt. Die Meldung, daß sie zum Potomac Cable
Network ginge, um dort eine Serie über Frauen in der
Regierung zu machen, hatte in vielen Zeitungsartikeln
gestanden. Sie hatte sie alle gelesen, um zu sehen, ob
irgendwo erwähnt war, wo sie künftig leben würde, aber
die Adresse war nirgendwo genannt worden.
    Der ausführlichste Bericht hatte in der Washington
Tribune gestanden: »Eine attraktive Errungenschaft der
Potomac Cable Network ist die kastanienfarbene Brünette
Patricia Traymore mit ihrer heiseren Stimme und den
sympathischen braunen Augen. Ihre Sendungen mit
Portraits von Berühmtheiten bei Boston Cable sind
zweimal für den Emmy-Preis vorgeschlagen worden. Pat
verfügt über die phantastische Begabung, Menschen dazu
zu bewegen, sich mit bemerkenswerter Offenheit zu
offenbaren. Als erstes wird sie sich mit Abigail Jennings
befassen, der öffentlichkeitsscheuen Senatorin aus
Virginia. Nach Aussage von Luther Pelham, dem Leiter
und Moderator von Nachrichtensendungen bei Potomac
Cable, wird die Sendung über Höhepunkte im privaten
und öffentlichen Leben der Senatorin berichten. In
Washington erwartet man bereits voller Spannung, ob es
Pat Traymore gelingen wird, die eisige Reserviertheit der
schönen Senatorin zu durchbrechen.«
    Der Gedanke an den Anruf nagte an ihr. Wegen des
Tonfalls, in dem er gesagte hatte »dieses Haus«.
Wer wußte Bescheid über das Haus?
Im Auto wurde es kalt. Pat wurde klar, daß der Motor
schon etliche Minuten abgestellt war. Ein Mann mit einer
Aktentasche eilte vorbei, hielt inne, als er sie da sitzen sah,
dann setzte er seinen Weg fort. Ich sollte mich doch lieber
in Bewegung setzen, bevor er bei der Polizei anruft und
Meldung über eine herumlungernde Person erstattet,
dachte sie. Die Eisentore vor der Einfahrt standen offen.
Sie parkte das Auto vor dem mit Steinen gepflasterten
Weg am Vordereingang und suchte in ihrer Handtasche
nach dem Haustürschlüssel.
An der Haustür zögerte sie einen Augenblick, versuchte
sich über ihre Gefühle klarzuwerden. Sie hatte damit
gerechnet, von einem Gefühlsausbruch übermannt zu
werden. Statt dessen
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