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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld
Autoren: Sabine Kornbichler
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drinnen. Gleichzeitig spürte ich eine Kraft, die sich aus meinem Willen weiterzuleben speiste. Mit festem Griff hielt ich Gregors Anker umschlossen.
    Wenn ich die Augen schloss, sah ich ihn vor mir, spürte seine Arme, die sich um mich legten, und hörte seine Stimme. Wenn ich die Augen wieder öffnete, sah ich unser Kind, das nicht nur die Form seiner Ohren von ihm geerbt hatte. Ich sah, was uns genommen worden war, aber ich sah gleichzeitig, was uns geblieben war.
    In meine Gedanken hinein läutete das Telefon. » Gaspary «, meldete ich mich.
    » Helen! Endlich! « Fees Erleichterung war unüberhörbar.
    Ich freute mich, ihre Stimme zu hören. » Isa hat mir gesagt, dass du am Donnerstag angerufen hast. Sie hat … «
    » Ja, sie hat mir alles erzählt. «
    » Wo bist du jetzt? «
    » Auf dem Weg nach Katmandu. Ich werde mir dort ein Zi m mer suchen, das groß genug für uns drei ist. Und dann nimmst du einen Rucksack und packst das Nötigste für euch beide hinein. Damit wirst du hier reichlich ausgestattet sein. Wenn ihr hier seid, reden wir. «
    Erst begriff ich nicht, wovon sie sprach. Dann überschlugen sich meine Gedanken. » Fee, ich kann nicht … «
    » Natürlich kannst du, Helen. Du kümmerst dich morgen um ein Touristenvisum, einen Flug und die notwendigen Impfu n gen. «
    » Jana ist gerade mal eineinhalb, ich kann sie nicht einfach so nach Nepal verfrachten. «
    » Sie wird begeistert sein, glaube mir. «
    » Sie ist noch so klein, und sie hat gerade erst ihren Vater verloren … «
    » Sie wird hier nichts verlieren «, sagte sie leise. » Nimm all deinen Mut zusammen, Helen. Und dann tue es. Ich warte hier auf dich. «
     
    E s gab weit mehr Gründe, die dagegen sprachen, als dafür. Aber es gab auch Claudia, Isabelle und Mariele Nowak, die sich dafür stark machten, dass ich besagten Rucksack packte. Und es gab Jana, deren Übermut und Tatendrang meine Bedenken schmelzen ließen. Und schließlich gab es Eliane Stern.
    » Kann ich Jana das zumuten? «, fragte ich sie. » Kan n i ch mir das zumuten? Was wird dort mit uns beiden geschehen? «
    » Fliegen Sie nach Katmandu, und treffen Sie Ihre Freundin. Schauen Sie, wie es dort ist, ob es Ihnen und Ihrer Tochter gut tut. Abbrechen können Sie Ihre Reise jederzeit. «
    Und so traf ich alle Vorbereitungen. Ich bat Ruth Lorberg und Kerstin Grooth-Schulte, sich während meiner Abwesenheit weiter um die Kanzlei zu kümmern. Nelli würde sich mit Mariele Nowak absprechen und regelmäßig nach der Wohnung sehen. Claudia hatte sich bereit erklärt, alles Administrative im Auge zu behalten. » Es wird hier nichts anbrennen «, versprachen mir alle fünf.
    So blieb mir schließlich nichts zu tun, als all meinen Mut zusammenzunehmen. Ich hielt mich an Eliane Sterns Worten –fest abbrechen konnte ich die Reise jederzeit. Nun galt es jedoch, sie erst einmal anzutreten. Bis am nächsten Morgen unser Flugzeug abheben würde, blieben mir noch zehn Stunden. Schlafen konnte ich nicht, deshalb wanderte ich durch jeden Raum.
    Irgendwann in dieser Nacht kam ich in Janas Zimmer an und setzte mich in den Schaukelstuhl neben mein schlafendes Kind. Während ich sie betrachtete, durchströmte mich ein warmes Gefühl. Claudia hat gesagt, dein Papa sei ein kluger Mann gewesen. Das war er, Jana. Aber er war noch weit mehr. Er war feinfühlig, zärtlich und humorvoll. Seine Geduld war legendär. Nachdem ich allerdings endlich begriffen hatte, dass ich in ihn verliebt war, verlor er keine Zeit mehr. Ich glaube, keine Ehe ist jemals so schnell geschieden worden wie Patricks und meine.
    Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen.
    Dein Vater bestellte mich in seine Kanzlei, um mir di e S che i dungspapiere persönlich zu übergeben. Wieder saßen wir uns an seinem Schreibtisch gegenüber. Wie damals, als er mir den Ehevertrag mit Patrick zum Lesen gegeben hatte, schob er mir jetzt wieder Papiere zu und forderte mich auf, sie zu lesen.
    Dieses Mal las ich sie gründlich und steckte sie dann zufrieden in meine Tasche.
    » So « , sagte Gregor, » damit kommen wir gleich zum nächsten Punkt. «
    Verwundert sah ich ihn an. » Was gibt es denn noch? «
    » Das fragst du? « Er bemühte sich, seiner Stimme einen gela s senen Klang zu verleihen. » Es gibt viel zu tun, Helen. Immerhin werden wir beide bald heiraten. «
    Seine Aufregung war wie ein Funke auf mich übergesprungen und hatte mich angesteckt. Mein Herz klopfte so stark, dass ich meinte, es in meinem ganzen Körper spüren
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