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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld
Autoren: Sabine Kornbichler
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    Der Anker lag in meiner geöffneten Hand. Winzige, in Gold gefasste Brillanten glitzerten um die Wette und trieben mir Tränen in die Augen. Mein Blick wanderte von dem kleinen Schmuckstück, das an einer Halskette hing, zu meinem Mann.
    » Herzlichen Glückwunsch zum Sechsunddreißigsten «, sagte Gregor und küsste mich.
    Ich legte die Kette, die ebenso stabil war wie der Karabinerh a ken, der sie umschloss, um meinen Hals. Für einen Moment schloss ich die Augen und spürte den Anker auf meiner Haut. Er war ein Symbol für den Halt, den Gregor mir in der schwierigen Phase, die hinter mir lag, gegeben hatte und den er mir immer wieder geben würde.
    » Wenn jetzt eine Fee käme und ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, steinalt mit dir zu werden «, sagte ich. » Danke für dieses besondere Geschenk. Ich werde gut darauf aufpassen! «
    » Ich weiß. «
    » Weißt du auch, dass ich dich liebe? «
    » Vom ersten Tag an. «
    » Unverbesserlicher Träumer! «
    » Ich träume nicht, ich rede von unumstößlichen Tatsachen! «
    » Tatsache ist «, dozierte ich mit einem überlegene n L ächeln, » dass kein Mensch einen anderen vom ersten Tag an liebt. Liebe ist nichts Statisches, sie wächst. «
    » Vom ersten Tag an, sage ich doch. Und dann jeden Tag ein Stückchen mehr. Gib zu, dass du mich heute weit mehr liebst als an unserem ersten Tag! «
    Ich lachte. » Zugegeben … «
    Gregor küsste mich mit einer Leidenschaft, die mich atemlos einen Schritt zurücktreten ließ.
    » In einer halben Stunde erwarten Annette und Joost uns in der Brücke. «
    » Sollen sie warten … «
    » Außerdem kommt Nelli jeden Moment zum Babysitten. «
    » Sie ist zweiundzwanzig und hat zweifellos längst eine A h nung davon, was es heißt, von purer Lust übermannt zu werden. « Gregors Fingerspitzen strichen seitlich an meinem Körper entlang.
    » Wie schön, dass du so denkst. Wenn Jana erst einmal zwe i undzwanzig ist … «
    » Jana ist meine Tochter, für sie gelten andere Gesetze! « Er umfasste meinen Nacken und zog mich zu sich heran. Zwischen unseren Körpern hatte nicht einmal mehr ein Millimeter Platz. Betörend langsam glitten seine Hände unter meine Bluse.
    Das durchdringende Geräusch der Klingel riss uns unsanft aus unseren Fantasien, die uns vorausgeeilt waren. Benommen lösten wir uns voneinander. Meine Enttäuschung spiegelte sich in Gregors Gesicht wider.
    » Warum muss Nelli nur immer so schrecklich pünktlich sein? «, fragte er.
    » Weil du ihr, bevor wir sie eingestellt haben, unmissverstän d lich klargemacht hast, dass Pünktlichkeit ein e d er Voraussetzungen ist, um bei uns eine Dauerstellung zu beko m men. «
    » Seit wann hält Nelli sich an das, was ich sage? «
    » Gute Frage. « Mit einem Lachen lief ich zur Tür und öffnete unserem Hausfaktotum.
    » Hi. « Der Blick, den Kornelia Karstensen, genannt Nelli, mir zuwarf, bedurfte eigentlich keiner Kommentierung, aber sie ging gerne auf Nummer Sicher. » Störe ich? « Ihr anzüglicher Tonfall hätte zweifellos die meisten Arbeitgeber dazu bewogen, eine fristlose Kündigung in Betracht zu ziehen. Gregor und mir dagegen gefiel ihre unverblümte Art.
    » Und wenn? «, fragte ich.
    » Dann liegt das ausschließlich an Ihrem miserablen Timing, Frau Gaspary. Meines ist wie immer perfekt. «
    » Solltest du dich eines Tages wider Erwarten dazu durchri n gen, einem anspruchsvolleren Job nachzugehen, schlage ich vor, du versuchst es mal als Selbstbewusstseinstrainerin. Ich bin sicher, darin wärst du spitzenmäßig. «
    » Ich bin auch als Putzfrau und Babysitterin spitzenmäßig. «
    » Spitzenmäßig unterfordert «, erwiderte ich trocken und griff damit unsere Diskussion über Nellis anscheinend nicht existe n ten Ehrgeiz auf, was ihre Berufsausbildung betraf.
    Kurz nach Janas Geburt hatte sie angefangen, dreimal in der Woche unser Haus zu putzen, den Garten zu pflegen und die Wäsche zu bügeln. Darüber hinaus passte sie auf Jana auf, wenn Gregor und ich ausgingen oder ich einen beruflichen Termin hatte. Ihre restliche Zeit verteilte sie auf zwei weitere Haushalte. Eigentlic h g ing es mich nichts an, was sie aus ihrem Leben machte, aber so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte nicht kommentarlos dabei zusehen, wie eine intelligente junge Frau ihr Potenzial nicht ausschöpfte. Es täte mir sehr Leid, eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages auf sie verzichten zu müssen, aber ich würde alles daransetzen, dass sie eine Ausbi l dung
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