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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld
Autoren: Sabine Kornbichler
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war fast unüberwin d lich. Nur unter großer Anstrengung gelang es mir, sitzen zu bleiben. » Das tat weh, Annette. «
    » Du tust mir auch weh. Mit deiner Überlegenheit, mit diesem Blick, der besagt, du würdest dir das von deine m M ann nicht bieten lassen, du wärst schon längst über alle Berge. Mit deinem Mitleid mit mir. Dieses Mitleid ist manchmal noch viel schli m mer als der Betrug selbst. Es macht einen so klein. Und es bringt ein Ungleichgewicht in unsere Freundschaft, das ihr nicht gut tut. « Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln. Mit einer fahrigen Bewegung wischte sie sie fort. » Weißt du, wie es mich ankotzt, mir von dir, die du in einer wahren Bilderbuchehe lebst, Vorhaltungen machen zu lassen? Das ist, als ob eine Reiche eine Arme fragt, warum sie sich in ihr Schicksal fügt und nicht endlich etwas dagegen tut. Aber hast du überhaupt eine Vorste l lung davon, wie es in dieser Armen aussieht? Vielleicht ist sie paralysiert, vielleicht fehlt ihr die Kraft und die Zuversicht, die es bräuchte, um in die Hände zu klatschen und eine Veränd e rung zu wagen. « Sie hatte einen hochroten Kopf, und ihr Atem ging stoßweise.
    Ich füllte ihr Glas Wasser nach und reichte es ihr wortlos. Nachdem sie ein paar Schlucke getrunken hatte, stellte sie es behutsam ab.
    » Danke. « Es war, als würde sie wieder zu sich kommen. Beschämt sah sie erst mich an, um ihren Blick dann über die angrenzenden Tische schweifen zu lassen.
    Links und rechts von uns saßen ausschließlich verliebte Paare. » Unsere Tischnachbarn sind viel zu sehr mit sich selbst beschä f tigt, um von uns Notiz zu nehmen «, sagte ich. » Und selbst wenn sie zugehört hätten, dann … «
    » Dann hätten sie vielleicht eine Ahnung davon bekommen, dass es ein Leben nach dem Verliebtsein gibt. Und dass es so oder so ausfallen kann. « Ihr trauriger To n b erührte mich. » Hätte ich damals auch nur annähernd gewusst, was auf mich z u kommt, dann … « Annette verstummte.
    » Helen! « Joost packte mich von hinten an den Schultern und zog mich aus meinem Stuhl hoch. » Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. « Er umschlang mich mit seinen Armen, küsste mich auf beide Wangen und hielt mich dann ein Stück von sich. » Blendend siehst du aus. dein Mann ist zu beneiden. Obwohl ich natürlich selbst zu den Männern zähle, die von anderen beneidet werden. « Der Blick, den er Annette zuwarf, hätte charmanter nicht sein können. » Schaut euch dieses Prachtexemplar von Ehefrau an: Sie ist nicht nur schön, sondern auch klug. «
    Klug genug, ihren Mund zu halten? Klug genug, die Situation richtig einzuschätzen und wegen der Frau vor dem Restaurant keine Szene zu machen? Klug genug, wieder mal ein Auge zuzudrücken? Was hätte ich dafür gegeben, dieser Situation zu entkommen und den Abend mit Gregor allein zu beschließen. Seiner Einsilbigkeit nach zu urteilen, schien es ihm ähnlich zu gehen.
    Gekonnt überspielte Joost die spürbar schlechte Stimmung am Tisch. Zeitweise hätte man sogar meinen können, er nehme sie gar nicht wahr. Aber ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass dem nicht so war. Er hatte sehr feine Antennen.
    Es war schon eine Leistung, wie er uns während der Vor-und Hauptspeisen unterhielt, ohne auch nur eine Minute lang nachzulassen. Er schien nicht müde zu werden, kleine Anekd o ten aus der Uni und aus seinem Institut zum Besten zu geben. Annette und ich ließen uns dadurch besänftigen. Gregor hing e gen verweigerte sich standhaft. Er blieb wortkarg und in sich gekehrt.
    Erst als wir zwei Stunden später wieder auf der Straße standen, nachdem wir uns von den beiden verabschiedet hatten, hatte ich Gelegenheit, ihn auf seine offensichtliche Verärgerung anz u sprechen.
    » Was ist da draußen geschehen? Was hat dich so aufg e bracht? «, fragte ich ihn. » Warum hast du der Frau deine Visitenkarte gegeben? «
    Er nahm mich fest in die Arme und drückte mich. » Helen, heute ist dein Geburtstag. « Ich spürte seinen Atem an meiner Stirn. » Es tut mir ohnehin schon furchtbar Leid, dass dir dein Abend so versaut wurde. Lass uns Joost und seine Probleme vergessen, wenigstens bis morgen früh. «
    » Meinst du mit seinen Problemen diese Frau oder Annette? «
    » Ich meine, dass meine Frau jetzt mal als Freundin abschalten und als Ehefrau auf Empfang schalten sollte. «
    » Heißt das, du möchtest dort wieder anknüpfen, wo wir vor ein paar Stunden unterbrochen wurden? « Ich schob meine Hände unter seinen
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