Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
der Agentenschreck

der Agentenschreck

Titel: der Agentenschreck
Autoren: Dorothy Gilman
Vom Netzwerk:
1
    An einem warmen Juliabend hatten sich mehrere Freunde in Mrs. Pollifax' Wohnzimmer versammelt. Da war die Nachbarin von Tür 4, Miß Hartshorne, Professor Whitsun vom Universitätsinstitut für Botanik und mehrere Mitglieder des Gartenklubs unter der Führung der Präsidentin, Mrs. Otis. In der vergangenen Stunde hatten sie pausenlos auf ihre Armbanduhren geschaut und ebenso ständig die Wanduhr beobachtet. Es war zwanzig Minuten vor Mitternacht.
    »Glaubst du, es ist schon soweit, Emily?« fragte die Präsidentin des Gartenklubs ungeduldig.
    »Ja, ist es Zeit?« erkundigte sich Miß Hartshorne.
    Mrs. Pollifax sah den Professor fragend an. Er nickte. »Ich würde sagen, jetzt oder nie.«
    »Herrlich«, seufzte Mrs. Pollifax. »Also dann, Lichter aus!«
    Im Schein einer Taschenlampe führte sie die Gruppe in die Küche. Die Nacht war schwül.
    Das Fenster stand offen, und die Fensterläden waren bereits ausgeklinkt. Der Strahl der Taschenlampe glitt über die eiserne Feuerleiter bis zu dem Blumenkasten unter dem Fenster. Ehrfürchtiges Schweigen senkte sich auf die Gruppe.
    »Sie ist aufgegangen!« sagte Professor Whitsun andächtig.
    »Ich sehe es!«
    »Sie blüht!« rief Mrs. Otis frohlockend den anderen zu.
    »Tatsächlich!«
    »Machen Sie Licht und holen Sie sie herein«, befahl Professor Whitsun. »Vorsichtig! Stehen meine Kameras bereit?«
    Behutsam wurde der Blumenkasten aufs Fensterbrett gehoben und ins Wohnzimmer getragen, wo er in die Mitte des Teppichs gestellt wurde.
    » Drei sind es!« rief Mrs. Pollifax entzückt und kniete neben einem Trio zarter, spitzer Blüten nieder.
    »Das also ist ein nachtblühender Säulenkaktus«, hauchte Miß Hartshorne.
    »Er blüht nur einmal im Jahr und dann nur wenige Stunden.«
    Professor Whitsun rückte das Stativ seiner Kamera zurecht.
    »Und Emily hat ihn am Fenster gezüchtet«, sagte Mrs. Otis.
    »Ach, Emily, das ist ein solcher Triumph für unseren Gartenklub.«
    »Eine Ansprache«, drängte die Klubsekretärin.
    »Jawohl, Emily. Du mußt eine Rede halten!«
    Mrs. Pollifax richtete sich geschmeichelt auf und räusperte sich. »Der nächtlich blühende Säulenkaktus...«, begann sie.
    Um die gleiche Stunde saßen Carstairs vom CIA und sein Assistent Bishop in einem schäbigen Hotelzimmer in Harlem, New York City. Eine einzige nackte Zwanzig-Watt-Glühbirne baumelte von der Decke. Der Mann, dem ihr Besuch galt, hockte erschöpft auf der Kante eines zerwühlten Bettes. Er hieß Shipkov und war eben erst aus Osteuropa eingetroffen.
    »Den Rest stenographieren Sie mit und nehmen ihn gleichzeitig auf Tonband auf«, sagte Carstairs zu Bishop. Dann wandte er sich wieder an den Mann auf dem Bett. »Sie behaupten also, ein Unbekannter, ein völlig Fremder, hätte Ihnen genau gesagt, wo und wie Sie die bulgarische Grenze überqueren sollen?«
    Der Mann nickte.
    »Wiederholen Sie Ihren Bericht nochmals. Langsam. Und vergessen Sie nichts dabei.«
    Shipkov schloß die Augen und dachte angestrengt nach. »Es geschah in Sofia. Ich hatte einen Laden betreten, und er wartete draußen auf mich. ›Shipkov?‹ sagte er. Ich drehte mich um. Er sprach englisch. Das war mein erster Schock. ›Ihr Name steht als nächster auf der Liste‹, sagte er.« Shipkov öffnete die Augen und verzog das Gesicht. »In Bulgarien gibt es nur eine einzige Liste. Sie besagt nichts Gutes.«
    »Was antworteten Sie?« Carstairs beobachtete ihn genau.
    Shipkov zuckte die Achseln. »Ich habe seit einer Ewigkeit in Sofia gelebt, ohne daß jemand wußte, daß ich englisch spreche. Ich war starr vor Schreck. Mir blieb fast das Herz stehen, als der Fremde mich auf der Straße mit meinem Namen anredete und englisch mit mir sprach. Ich sagte überhaupt nichts.«
    Carstairs nickte. »Weiter.«
    »Dann sagte er: ›Sie sind schon in Ihrer Wohnung. Sie dürfen gar nicht mehr nach Hause, sondern müssen sofort nach Radzoi. Wenn Sie dort heute nacht um elf die Grenze überschreiten, werden Sie keine Posten antreffen.‹ Al es, was mir im Augenblick einfiel, war: ›Radzoi! Das ist der schlimmste Grenzübergang.‹ ›Heute nacht nicht‹, sagte er. ›Zumindest nicht um elf Uhr.‹«
    »Wußte er, daß Sie für uns arbeiten?«
    Shipkov lachte freudlos. »Keine Ahnung. Die ganze Situation war irr.«
    »Na schön. Erzählen Sie weiter.«
    »Er sagte...« Shipkov schloß die Augen, nickte und öffnete sie wieder. » ›Gelingt Ihnen die Flucht, dann verschaffen Sie uns Hilfe. Manche von uns wehren sich nämlich. Im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher