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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld
Autoren: Sabine Kornbichler
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ihre Worte nicht. Ich wollte gerade zurück, als sie im Türrahmen auftauchte, immer noch Gregors Foto und die Glasscherbe in der Hand. Ihr Blick machte mir Angst. Wäre Jana nicht gewesen, wäre ich augenblicklich durch die offen stehende Haustür gerannt.
    » Hier! « Ich hielt ihr die Pflaster hin.
    Mit einer gezielten Bewegung schlug sie sie mir aus der Hand. Meine Angst verselbstständigte sich und ließ meinen Puls hochschnellen, ich spürte ihn im Hals. Während ich noch fieberhaft überlegte, wie ich sie überwältigen könnte, wandte sie sich ab und ging auf Janas Zim mer zu. Sie ließ Gregors Foto fallen und drückte die Klinke hinunter. Als sie merkte, dass die Tür verschlossen war, schlug sie mit der Hand dagegen und hinterließ blutige Spuren auf dem Holz.
    » Annette, schau mich an! « Als sie nicht reagierte, legte ich vorsichtig meine Hand auf ihren Rücken.
    Sie fuhr herum und starrte mich an.
    » Komm «, sagte ich behutsam, » lass uns in die Küche gehen. « Deren Eingang lag der Haustür am nächsten. Vielleicht konnte ich ihr einen Stoß geben und hinter ihr die Tür zuschlagen.
    » Du hast alles zerstört … du … du bist an allem schuld. « In ihrem Blick hielten sich Hass und Verwirrung die Waage. Alles andere schien aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Sie trat so nah an mich heran, dass ich ihren Atem auf meinem Gesicht spürte.
    Angst schnürte mir die Kehle zu. Automatisch umschloss ich Gregors Anker mit meinen Fingern. Sie hatte es gesehen, griff nach der Kette und zerriss sie mit einem Ruck.
    » Gib ihn mir «, befahl sie mir.
    Ich schüttelte den Kopf. Als sie jedoch die Hand mit der Glasscherbe hob, hielt ich ihr den Anker hin.
    Sie nahm ihn in die andere Hand und betrachtete ihn.
    » Warum konntest du keine Ruhe geben? «
    Meine Stimme war zu einem Krächzen verkommen.
    » Wie denn? «, fragte ich und hörte gleich darauf Mariele N o wak.
    » Hallo, Frau Doktor Kogler «, sagte sie. Ihr Ton war sanft, aber bestimmt.
    Annette drehte sich zu ihr um.
    » Erinnern Sie sich an mich? «
    Während Annette nickte, lehnte ich mich zitternd gegen die Duschwand.
    » Ihre Hand muss verbunden werden. Am besten wird es sein, ein Kollege von Ihnen sieht sich das mal an. Kommen Sie … «
    » Nein … ich … ich muss … «
    » Ich weiß, Frau Doktor Kogler, aber Ihre Hand ist im Auge n blick wichtiger. Kommen Sie, wir gehen zusammen hinaus. «
    Durch die offen stehende Haustür waren Blaulichter zu sehen.
    » Draußen wartet ein Notarzt auf Sie, er wird sich um Sie kümmern. « Mariele Nowak legte einen Arm um Annettes Schulter und führte sie hinaus.
    Ich starrte auf ihren Rücken und betete, dass sie sich nicht mehr umdrehen möge. Doch mein Gebet wurde nicht erhört. Kurz bevor sie durch die Tür ins Freie trat, wandte sie ihren Kopf zu mir um. Die Verwirrung in ihrem Blick war Verzwei f lung gewichen, an dem Hass hatte sich nichts geändert.
    Vor der Tür sprach meine Nachbarin mit zwei Polizisten und dem Notarzt, der sich sofort um Annette kümmerte. An ihnen vorbei drängte sich ein Sanitäter, der mich fragte, ob ich Hilfe benötigte. Ich schüttelte den Kopf. Hilfe hatte ich bereits von Mariele Nowak bekommen.
    » Wie …? « Zu mehr Worten war ich nicht fähig, als sie zu mir zurückkam.
    » Ich habe die Tür offen stehen sehen und wollte mich verg e wissern, dass bei Ihnen alles in Ordnung ist. Da habe ich Frau Doktor Kogler gehört und die Angst in Ihrer Stimme. Daraufhin habe ich sofort die Polizei alarmiert. «
    » Danke. « Meine Hände zitterten immer noch so stark, dass mir der Schlüssel zu Janas Zimmer aus der Hand fiel.
    Meine Nachbarin erfasste mit einem Blick, zu welchem Zi m mer er gehörte. Sie hob ihn auf und schloss die Tür auf. Dann zog sie mich behutsam ins Zimmer und zeigte auf die schlafende Jana. Dabei strich sie mir beruhigend über den Rücken. » Es ist vorbei, Frau Gaspary. « Sie nahm meine Hand und legte Gregors Anker hinein.
     
    E s gab so vieles, was zu tun war, aber ich verschob das meiste auf später und kümmerte mich nur um das Nötigste. Ich ve r brachte so viel Zeit wie möglich mit Jana, spielte mit ihr oder schaute ihr einfach dabei zu und ließ mich treiben. Es kam mir vor, als bewege ich mich in einem Niemandsland zwischen nicht mehr und noch nicht. Vieles war nicht mehr wie vorher, und ich war noch nicht soweit, das, was hinter mir lag, loszulassen. Ich war erschöpft, meine Schmerzen für den Moment betäubt. Aber ich spürte sie tief
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