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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld
Autoren: Sabine Kornbichler
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verließ Frau Doktor Kogler die Kanzlei Ihres Mannes. Sie wurde dabei vom Professor beobac h tet, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand. Er hatte noch Licht hinter den Fenstern der Kanzlei gesehen und focht einen inneren Kampf mit sich aus, wie er uns sagte. War es sinnvoll, seinen Freund noch einmal aufzusuchen und um sein Schweigen zu bitten? Am Telefon hatte er sich dieser Bitte strikt verwe i gert, aber wenn er ihn anflehte, würde er vielleicht doch noch nachgeben. Er entschied sich … «
    » Joost kannte Gregor «, unterbrach ich sie, » er hätte wissen müssen, dass er nicht nachgeben würde, nicht bei so einer Sache. «
    » Das hat Ihr Mann ihm wohl auch ganz schnell klargemacht. Er hat ihn aufgefordert, das Gutachten zu berichtigen und die Umstände von Tonja Westenhagens Tod aufzuklären. Wie der Professor sagt, sei sein Freund noch nicht einmal zu dem leisesten Kompromiss bereit gewesen. Er habe nur immer wieder gesagt: Bring das in Ordnung, Joost! Als die Unterha l tung schließlich eskalierte … « Felicitas Kluge sah mich prüfend an.
    Ich schlang die Arme um den Oberkörper und drückte den Rücken fest gegen die Lehne des Stuhles. Um mich gegen das, was kommen würde, zu wappnen, hätte es jedoch eines Panzers bedurft.
    » Als die Unterhaltung schließlich eskalierte «, sprach sie we i ter, » forderte Ihr Mann den Professor auf zu gehen. Er ließ ihn mitten im Raum stehen und entzog sich ihm, indem er auf den Balkon ging. «
    » Er ist ihm gefolgt und hat ihn hinuntergestoßen «, schloss ich fassungslos, während mir die Tränen übers Gesicht liefen. » Und dann hat er mir noch in der Nach t d en trauernden Freund vorgespielt. Was wird er dafür bekommen? Fünfzehn Jahre? «
    » Wenn auf Mord erkannt wird «, antwortete Kai-Uwe Andres. » Wenn er allerdings einen guten Anwalt hat, kommt er mögl i cherweise mit Totschlag im Affekt davon. «
    » Redet er sich darauf hinaus? «, fragte ich.
    Er nickte. » Er behauptet, nicht mehr Herr seiner Handlungen gewesen zu sein. In seinem Kopf seien nur noch Angst und Wut gewesen. Er sei durchgedreht und erst wieder zu sich geko m men, als er Gregor dort unten im Vorgarten habe liegen sehen. An die Tat selbst könne er sich nicht erinnern. Sie sei in seinem Kopf wie ausgelöscht. Als er begriffen habe, was geschehen war … «
    » Was er getan hatte «, präzisierte ich. » Gregors Tod ist nicht einfach nur geschehen. «
    » … da habe ihn nur noch ein einziger Gedanke beschäftigt, nämlich der, wie er seinen Kopf aus der Schlinge ziehen könne. Er habe sich aus dem Haus geschlichen, vorbei an zwei Mä n nern, die sich im Vorgarten mit dem Rücken zu ihm über die Leiche seines Freundes gebeugt hätten. Wir haben rekonstruiert, dass es sich dabei um die beiden Zeugen handelte, die den Schrei und dann den Aufprall gehört hatten. Nachdem er sich ein paar Schritte vom Haus entfernt habe, sei er nur noch gerannt. Die Angst, erwischt zu werden, habe ihm im Nacken gesessen und ihn tagelang nicht losgelassen. Erst als klar war, dass sein Besuch bei Ihrem Mann unbeobachtet geblieben war, begann er, Hoffnung zu schöpfen. «
    » Hoffnung «, wiederholte ich entgeistert das Wort und ve r schluckte mich fast daran. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und putzte die Nase. » Wie kann er vo n H offnung sprechen, wenn er seinen Freund auf dem Gewissen hat? « Ich ballte die Hände zu Fäusten und flüsterte: » Er hat ihn umg e bracht. Und er hatte die Hoffnung davonzukommen? «
    Beide sahen mich mitfühlend an. Sie ließen mir Zeit, und dafür war ich ihnen dankbar.
    Ich versuchte, mich zu konzentrieren. Ein Gedanke ließ mir keine Ruhe. » Wie passt diese Trittleiter, von der die Fingera b drücke abgewischt wurden, in Joosts Logik? Will er sich allen Ernstes auf eine Affekthandlung herausreden, obgleich sein Kopf Sekunden später allem Anschein nach wieder ei n wandfrei funktionierte? Er hat einen Suizid fingiert und gibt vor, kopflos gewesen zu sein? Wie passt das zusammen? «
    » Diese Frage drängt sich auf «, sagte Felicitas Kluge.
    » Wir haben sie ihm auch gestellt. Laut seiner Aussage sei ihm schockartig bewusst geworden, was er getan habe. Von einer Sekunde auf die andere sei sein Gehirn wieder klar gewesen, und er habe nach einem Ausweg gesucht. So sei er auf die Idee mit der Trittleiter verfallen. «
    » Wird er damit durchkommen? «
    Die beiden tauschten beredte Blicke. » Wenn es nach uns ginge, nein «, antwortete die
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