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Der rollende Galgen

Der rollende Galgen

Titel: Der rollende Galgen
Autoren: Jason Dark
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»Shit, den stech' ich ab!« Buddy Rivolta war nicht nur schnell mit dem Mundwerk, auch mit dem Messer. Und wenn Buddy so etwas sagte, konnte man daraufbauen, daß er es auch tat. Es kam ganz darauf an, wie Buddy drauf war.
    Der Typ, der ihm da entgegenkam, störte ihn einfach. Er paßte auch nicht in die Gegend der eleganten Fifth Avenue, direkt am Washington Square. Ebensowenig paßte Buddy dorthin, das jedoch störte ihn weiter nicht. Er wollte unter dem Torbogen einen Dealer treffen. Sie hatten vor, Geschäfte zu machen.
    Der Typ hatte ihn noch nicht gesehen. Er stand im Licht einer Laterne und schaute gegen die Mauern des Tores, als wären sie etwas ganz Besonderes. Wenn du nicht verschwindest, dachte Buddy, dann schlitze ich dich auf. Es ist blöd, hier nur herumzustehen. Wer Rivolta ansah, wußte, daß auch ersieh verlaufen haben mußte. Das einzig Helle an ihm war sein weißes Stirnband. Ansonsten war er schwarz. Haut, Kleidung und Lockenhaar. Er liebte Schwarz und haßte die weiße Haut. Am liebsten hätte er alle Weißen umgebracht, aber das ging auch nicht, hin und wieder brauchte man die hellhäutigen ›pigs‹ noch.
    Er scharrte mit den Füßen wie ein Pferd. Buddy wollte Knete machen, und jetzt kam ihm der Kerl dazwischen.
    Wie sah der überhaupt aus!
    Verwildert, breitschultrig, graublau im Gesicht, als wäre er aus einem Sarg gekrochen. Seine Kleidung war total zerknittert. Buddy hielt ihn unter Kontrolle. Was der Kerl vorhatte, wußte er nicht. Sollte er ihm aber in die Quere kommen, würde er sein blaues Wunder erleben.
    Rivolta war da rigoros. Nur so hatte er im Dschungel New York überleben können.
    Seine Gegend war der Washington Square nicht. Er kam von dort, wo die Menschen arm, farbig und verzweifelt sind. In den Straßenschluchten der Westside war er aufgewachsen und hatte den Geruch von stinkendem Hafenwasser einatmen müssen. Nun stand er ziemlich im Süden von Manhattan. Er hatte sich die Insel regelrecht erobert.
    Normalerweise lauerte er auf Touristen, um sie mit dem Messer zu kitzeln. Die Leute gaben ihm Geld, das hielt ihn am Leben. Mit zwanzig Jahren hatte er schon einiges auf dem Kerbholz. Ein Wunder, daß er noch nicht erwischt worden war.
    Sein Geschäftspartner kam nicht. Um Mitternacht hatten sie sich verabredet. Zehn Minuten schon über die Zeit und nichts zu sehen. Nur die Lichterketten auf den Avenues, die wie breite Striche in Richtung Norden wiesen. Er sah auch die Spitze des Empire State Building. Sie ragte wie ein Dorn aus den Straßenschluchten hervor. Buddy schaute auf die gestohlene Uhr.
    Fünfzehn Minuten nach Mitternacht. Und der ›Snowman‹ war noch immer nicht gekommen. ›Snowman‹ deshalb, weil er den Schnee, das weiße Gift, brachte. Buddy wollte es an der Westside verkaufen. Das Geld für den Stoff hatte er sich bei einem Einbruch besorgt. Abgase trieben zum Washington Square. Sie kamen in dünnen Wolken und legten sich über das sommerliche Grün der Bäume, die den hohen Torbogen umstanden.
    Wind fuhr kaum in die Straßenschluchten, die an manchen Tagen wie Kanäle wirkten.
    Buddy schwitzte. Fünf Minuten wollte er dem Dealer noch geben und sich dann um den Kerl unter der Laterne kümmern. Der war ihm nicht geheuer. Rivolta fragte sich, weshalb er dort stand und nichts tat. Er bewegte sich nicht einmal. Seine Gestalt sah aus, als wäre sie künstlich hergestellt worden.
    Buddy leckte über seine Lippen. Bei ihm ein Zeichen, daß er auf dem Sprung stand. Die narbige Rechte des Zwanzigjährigen verschwand in der Tasche. Für einen Moment umklammerte sie dort den Metallgriff des Messers, bevor er die Waffe mit einem glatten Zug hervorholte. Auf Knopfdruck schoß die Klinge hervor.
    Auf dem Stahl brach sich ein Lichtreflex, bevor er über Buddys Stirn zuckte.
    Rivolta grinste scharf. Er bewegte die Oberarme wie Rambo, bevor dieser zum Kampf schritt. Das war sein großes Vorbild. Den letzten Streifen hatte er sich gleich viermal angeschaut, um alle Kämpfe genau mitzubekommen. So wie Rambo wollte er sein.
    Leider verwechselte er Film und Wirklichkeit, doch einem wie ihm blieben nur die Leinwandträume.
    Er verließ seinen Platz. Bisher hatte er in guter Deckung gestanden, nach zwei Schritten wäre er von der Gestalt unter der Laterne zu sehen gewesen, die sich jedoch nicht um ihn kümmerte. Noch immer stand sie unbeweglich und wartete ab.
    Das Gehen hatte Buddy regelrecht gelernt. An der Westside, wo er herkam, da ging man nicht, da bewegte man sich und auch
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