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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo
Autoren: bach
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überließ er Charlotte und ihren beiden Vorarbeitern, er selbst ritt umher, redete mit den Arbeitern, bot seine ärztliche Hilfe an, machte Ausflüge zu den Dschagga. Er beobachtete Charlotte, wenn sie die schwarzen Kinder unterrichtete, doch er sagte nichts dazu. Wenn sie shauri hielt, hörte er aufmerksam zu und fragte sie später, was dieses oder jenes Wort bedeute, denn er versuchte, die Sprache der Dschagga zu lernen. Oft spielte er mit Elisabeth. Er brachte ihr das Reiten bei, er zeichnete mit ihr, manchmal sah Charlotte die beiden– den schlanken, hochgewachsen Mann und die quirlige Kleine im hellen Kleidchen– über die Wiese zu den Eukalyptusbäumen gehen und dort an Max’ Grab verweilen.
    An den Abenden vergrub er sich in Charlottes Bücher. Die Deutsch-Ostafrikanische Zeitung und den Pflanzer, die die Post brachten, überflog er nur kurz, um sie angewidert beiseitezulegen. Er schrieb Briefe nach England und Deutschland, bekam jedoch nur selten Antwort, was ihn verbitterte. Immer häufiger lenkte er das Gespräch am Abend auf die Gegenwart, und Charlotte spürte kummervoll, dass er auf ihrer Plantage immer ein Fremder bleiben würde.
    » Ich weiß, wie sehr du dich bemühst, gerecht und großzügig zu sein, Charlotte. Und doch ist es nicht möglich. Du hast einen Zaun um dich gezogen und versuchst, ein Paradies zu errichten. Doch um uns herum leben die Menschen, denen das Land einst gehörte. Und sie leben in Armut, weil man sie aus den fruchtbarsten Gebieten verdrängt hat.«
    » Aber ich gebe ihnen Arbeit. Sie bekommen ihren Lohn. Und ich sorge für sie.«
    » Ja. So als wären sie deine Kinder!«
    » Was ist daran schlimm?«
    » Nichts«, knurrte er unzufrieden. » Nur dass ihre eigenen Kinder lesen und schreiben lernen und damit ihre Wurzeln verlieren.«
    » Es gibt Entwicklungen, die man nicht aufhalten kann, George…«
    » Eroberer tun seit Menschengedenken immer das Gleiche: Sie nehmen sich das Land, das sie haben wollen, und zwingen den Einwohnern ihre Kultur auf. Wenn nötig mit Gewalt.«
    Die Gespräche drehten sich im Kreis. Er konnte stundenlang unter dem Vordach sitzen und auf den schneebedeckten Gipfel des mächtigen Berges schauen, er liebte das sanfte Rauschen des Windes in den Eukalyptusbäumen, stand mit ihr am Morgen vor dem Haus, um die aufsteigenden Nebel über den Pflanzungen zu sehen. Sie ritten hinauf in die Regenwälder, suchten nach Elefantenspuren, stiegen Hand in Hand über reißende Bäche und fanden immer neue Wasserfälle. Doch sosehr ihn die wilde Schönheit dieses Landes faszinierte– er blieb ein Fremder. Nur ihr zuliebe verweilte er auf der Plantage, wo er im Grunde keine Beschäftigung fand und nur ihr Gast war.
    Um die Jahreswende drang die Nachricht durch, dass viele aufständische Stämme sich nun den Deutschen unterworfen hatten. Doch ihr Schicksal verbesserte sich dadurch keineswegs. Man hatte ihre Brunnen zugeschüttet und alle Lebensmittel fortgeschleppt, die Felder vernichtet, die Dörfer niedergebrannt. Sie waren dem langsamen Hungertod preisgegeben.
    Charlotte schauderte es. War dies wirklich noch das Land, in das sie vor über zehn Jahren mit so vielen Hoffnungen gereist war? Sie hatte, genau wie ihr zweiter Mann, daran geglaubt, dass es hier Platz für sie alle geben würde– Weiße und Schwarze, Inder, Goanesen, Araber. Doch wie es schien, war gerade für die Eingeborenen Afrikas kein Platz mehr in ihrer Heimat. Was ihnen blieb war Unterwerfung oder Tod.
    Sie verschwieg ihr Entsetzen. In den Nächten schlief sie nicht, lag mit offenen Augen auf dem Lager, hörte Elisabeths ruhige, vertrauensvolle Atemzüge und wusste sich keinen Rat. An einem frühen Januarmorgen hielt sie es in dem stickigen Zimmer nicht mehr aus; sie warf eine Jacke über ihr Nachtgewand und lief über die taufeuchte Wiese hinüber zu den Eukalyptusbäumen. Feine Dünste hoben sich von den Pflanzungen, stiegen auf zu den Nebeln des Regenwaldes, die Oberfläche des großen Teichs schien noch blind, doch drüben am Laub der Orangenbäumchen glitzerten die Tautropfen. Es war ihr Land, Max hatte sie es lieben gelehrt, sie hatte seinen Traum bewahrt, der auch zu ihrem geworden war. Und doch…
    Instinktiv blickte sie zum Haus hinüber und sah George, der durch die Akazienallee langsam zu ihr hinüberging. Er hatte nach ihr gesucht und wusste, wo sie zu finden sein würde.
    » Du musst das nicht tun, Charlotte«, sagte er leise. » Nicht meinetwegen.«
    » Ich will es!«
    Schweigend zog er
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