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Himmel über dem Kilimandscharo

Himmel über dem Kilimandscharo

Titel: Himmel über dem Kilimandscharo
Autoren: bach
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Boden.
    » Krieger«, murmelte er. » Sie überqueren den Fluss und werden dann wohl nach Nordosten ziehen. Keine Angst, sie sind weit genug entfernt und haben uns sicher nicht gesehen.«
    Er hatte die ganze Zeit über die Hügel genauestens beobachtet. Sie keuchte vor Schrecken und kam sich unendlich dumm vor, presste sich an die Erde und atmete den Geruch des trockenen Staubes. Dicht neben ihr lag George, sie spürte seinen raschen Puls, hörte seinen Atem, und plötzlich hatte sie das Gefühl, dass es schon immer so gewesen sei. Seit ewigen Zeiten, schon lange bevor sie in diese Welt getreten war, hatte er neben ihr geatmet, sie kannte seinen Pulsschlag, den Geruch seines warmen Körpers, seine Hände, früher hatte sie auch seine Träume gekannt.
    Ich bekomme einen Sonnenstich, dachte sie erschrocken. Ich werde verrückt. George ist Maries Ehemann. Das heißt, er war es. Er hat sie geheiratet, weil er sie liebte…
    » Es ist vorbei«, sagte er leise. » Ich hoffe, ich habe dir nicht wehgetan. Aber sie tauchten ziemlich überraschend auf, und ich hatte keine Zeit mehr, dich zu warnen.«
    » Natürlich. Ich habe… geträumt. Wie gut, dass du aufgepasst hast.«
    Sie hatte einen Riss im Kleid davongetragen, doch das war inzwischen bedeutungslos geworden.
    Sie lief hinter ihm her und betrachtete seinen Rücken. Die Verletzungen schienen tatsächlich nicht sehr tief zu sein, es war kein weiteres Blut ausgetreten. Er bewegte sich immer noch in der gleichen Weise wie damals, als sie in Leer durch die Wiesen gelaufen waren, ein wenig schlaksig, federnd, doch wenn es nötig war, konnte er kraftvoll und geschickt sein. So war er damals über die Zäune gesprungen und hatte beim Wettlauf gesiegt– um Marie zu beeindrucken.
    » Keine Sorge, Charlotte. Gib mir die Hand. Wir gehen einfach weiter.«
    Drüben am Fluss lag eine Löwin, verschmolz fast mit der Farbe des Uferschlammes. Das große Tier räkelte sich, drehte sich auf den Rücken, so dass ihr hell behaarter Bauch zu sehen war, wälzte sich hin und her, streckte die Pranken und kam dann wieder auf der Seite zu liegen. Ihr Bauch hob und senkte sich, der Schweif peitschte den Boden, die Ohren zuckten nervös. Als die dunkle Mähne im Buschwerk auftauchte, erhob sich die Löwin und wandte dem großen Männchen fauchend den Kopf zu. Der Löwe bewegte sich auf sie zu und wurde mit wütenden Prankenschlägen empfangen, er brüllte und versuchte, sie zu beißen, doch sie kam geschmeidig auf die Füße und lief ein Stück flussabwärts. Er folgte ihr.
    » Sie sind nicht hungrig«, meinte George. » Sie sind ganz und gar miteinander beschäftigt.«
    Sie schwieg, doch die Unbefangenheit war von ihr gewichen. Plötzlich spürte sie wieder den Schmerz in ihren Füßen, den Hunger, die Erschöpfung. Der Fluss machte unendlich viele Windungen, sie kamen so langsam voran, überall lauerten tödliche Gefahren– wie sollten sie es nur bis zur Küste schaffen? Sie starrte auf die bleichenden Knochen eines Büffels, den die lange Trockenzeit wohl schon vor Jahren dahingerafft hatte, und musste sich zusammennehmen, um ihre Mutlosigkeit vor ihm zu verbergen.
    » Noch ein kleines Stück, und wir machen eine Rast.«
    » Meinetwegen müssen wir keine Pause machen, George. Lass uns besser weitergehen.«
    » Gut!«, sagte er und sah sie lächelnd mit eindringlichen, grauen Augen an.
    Gegen Mittag legten sie eine kurze Rast im Schutz eines Felsens ein, und George ging zum Fluss hinüber, um die Kalebasse für sie aufzufüllen. Ihr war schwindelig vor Erschöpfung, doch während er am Wasserlauf kniete, wagte sie nicht, die Augen zu schließen, sondern spähte sorgfältig in alle Richtungen. Der Fels hatte die Sonnenhitze aufgenommen und warf sie glühend zurück, die Luft flimmerte. Was für ein Land! So musste die Erde vor der Erschaffung der Welt ausgesehen haben, nichts als totes Gestein und roter Staub– wie konnte es hier überhaupt Leben geben? Wie war es möglich, dass diese verfluchten Grillen immer noch beharrlich und eintönig zirpten? Sie dachte an Klara, an den Säugling, der sich mit so viel Mühe ins Leben gekämpft hatte und der nun vielleicht schon gestorben war. Verschmachtet, genau wie seine Eltern, die hilflos allein im Busch geblieben waren. Juma, der zuerst davongelaufen, dann aber reumütig zurückgekehrt war und seine Treue nun möglicherweise mit dem Leben bezahlt hatte. Niemand wusste, was aus Matumbe geworden war, auch George nicht.
    Nicht nachdenken. Sie konnte
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